Firlefanz – der Kobold mit dem Kochlöffel
Firlefanz ist ein Kobold mit langen Eselsohren und gezwirbeltem Schnauz. Er hüpft auf einem langen hölzernen Kochlöffel durchs Land. Gesehen haben ihn nur Wenige. Aber was er mit seinem Kochlöffel anrichtet – das ist verbürgt –, erfahren viele Bürger, denen er seine Streiche spielt, bis sie vor Ärger sieden oder platzen.
Firlefanz mischt sich in alles ein und schafft ein heilloses Durcheinander. Wenn er mit seinem Kochlöffel nicht rührt, sticht er mit dem Stiel zu wie eine Lanze und trifft dabei manches Arschloch. Er bringt damit die Leute zum Stolpern, sogar mitten im Tanz. Manchmal befestigt er am Ende des Stiels einen Haken, womit er etwa Schlüssel, Brillen und Börsen vom angestammten Platz angelt und verlegt. Seine Einfallsfreude ist grenzenlos. Als gewiegter Menschenkenner weiss Firlefanz, wie töricht die Leute sind und befeuert sie in ihrer Torheit.
Als moderner Kobold hat sich Firlefanz auch mit der Technologie gegen die Menschen verschworen und fegt ganze Dateien aus dem PC oder schüttet Viren in die Elektronik. Kein Wunder, dass jeder Lausbube Firlefanz zum Vorbild nimmt.
Firlefanz geniesst ein gefundenes Fressen
Firlefanz hatte einen Heisshunger. So hüpfte er schnuppernd seiner Nase nach und hielt inne, weil es aus einem offenen Fenster lecker duftete. Mit einem Hops war er in der Küche und guckte in die Töpfe.
Herr und Frau Grandjean, ein reiches Paar im Mittelalter, standen aufgeplustert im Riesensalon und zeigten sich von der besten Seite, was nicht ausreichte, um die schlechten zu verdecken. Firlefanz fand das Paar unsympathisch und viele der Gäste auch.
„Ach ja, die Veranda“, wandte sich Frau Grandjean an eine hagere Dame, die in ihrem rosa-weissen Musselin-Gefieder einem Flamingo glich, „die haben wir eigentlich nur gebaut, um dort Bridge zu spielen. Alles geht auf Knopfdruck automatisch, Sonnenschutz, Klimaanlage, selbst die Türen öffnen und schliessen so.“ Eben trug das gemietete Servierpersonal Schüsseln mit den Gerichten auf die Anrichte in der Veranda.
„Liebe Gäste“, verkündete Herr Grandjean, „das bescheidene Mahl ‚à la fourchette’ (Gabelgericht) erwartet Sie, wenn ich bitten darf.“ Galant reichte er seiner Gemahlin den Arm und führte die Prozession an.
Firlefanz aber hatte es anders geplant. Rasch schubste er mit seiner Kelle eine Welle in den Perserteppich, worüber Herr Grandjean stolperte, mitsamt seiner Frau, weil er sich − keineswegs galant − fest an deren Arm klammerte. Gäste sprangen bei und halfen dem Paar wieder auf die Beine.
Inzwischen war Firlefanz schon in der Veranda verschwunden. Kaum hatten die Grandjeans ihre Würde halbwegs wieder gefunden, schloss Firlefanz ihnen und der Gefolgschaft auf Knopfdruck die Glasflügel vor der Nase. 8 Finger konnte Herr Grandjean gerade im letzten Augenblick zwischen die Türflügel schieben. Umsonst versuchte er, die Türe aufzumurksen. „Aber das geht doch alles automatisch, Armand!“ wies ihn seine Gattin schrill zurecht.
Firlefanz jedoch hielt den Knopf auf seiner Seite, wogegen der Knopf auf der anderen Seite der Türe nichts vermochte. Nicht ohne Pein gelang es Herrn Grandjean, seine Finger minus Signetring aus der Türe zu befreien. Dieser protzige Ring rollte weiter, angestossen von Firlefanz’ Kochlöffelstiel, bis hinter die Anrichte.
„Essenszeit“ drängte sein Magen. Kurzum drückte Firlefanz auf den Verriegelungsknopf, um seine Ruhe zum ungestörten Essen zu haben. Mit der Kelle schöpfte er zuerst die ganze Portion Kaviar. „Ein Gläschen Wodka, das passt dazu“, genoss Firlefanz seine Vorspeise und prostete aufs Wohl der Gastgeber und allen Gästen, die höchst verdattert vor der Glastüre standen. „Ein bisschen Unterhaltung gehört zu einem guten Essen“, fiel ihm ein, und er schaltete die Gegensprechanlage ein.
„Aber die Fenster in der Veranda und die Türe zum Garten sind ja sperrangelweit offen“, bemerkte Herr Amrath. Wie eine ausgehungerte Meute stob die ganze Gesellschaft rund ums Haus. „Komm Fiffi“, rief Firlefanz den auf dem Rasen schlummernden Hund zu sich, ehe er die Fenster und die „French windows“ verriegelte. Fiffi aber war kein kleiner Hund, sondern ein ausgewachsener Bernhardiner, fast so gross wie ein Kalb. Mit ihm teilte Firlefanz seine Mahlzeit.
Weder Firlefanz noch Fiffi liessen sich vom Aufruhr draussen im Garten stören und genossen die Speisen in bunter Reihenfolge. „Das Riesenviech frisst uns ja alles weg!“ donnerte eine Stimme dazwischen. Firlefanz lachte koboldartig, und der Hund bellte vergnügt.
Diesmal wusste Herr Feuerthaler Rat. Er war zugleich Chef der städtischen Feuerwehr und hatte somit Autorität. „Das wird mir ein bisschen zu brenzlig“, dachte Firelefanz. Er leerte noch ein letztes Glas Wein, als die Sirenen vor dem Haus heulten. Die Mannschaft hatte im Nu den Schlauch ausgerollt.
„Wo denn brennts?“ fragte der Feuerwehrleiter verblüfft. Zu spät: Die ganze Gesellschaft stand schon pflotschnass kreischend im Garten. „Nicht das, du Dummkopf!“ herrschte Herr Feuerthaler den Feuerwehrleiter an, „die Fenster und Türen einschlagen!“ So geschah es. In der Aufregung stürzten die Durchnässten in die Veranda. „Wo ist der Sauhund?“ brüllte Herr Grandjean, „ich werde dir den Garaus machen!“
Firlefanz und Fiffi waren längst verduftet. „Heute will ich nicht weiterhopsen“, schwang sich Firlefanz auf den Bernhardiner. Er hatte wirklich zu viel getrunken und gegessen und hatte ein enormes Schlafbedürfnis. Dass dieser Vorfall wirklich stattgefunden hatte, das stand anderntags im Stadtanzeiger schwarz auf weiss auf der Titelseite. Fiffi wurde als vermisst angezeigt.
Emil Baschnonga
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