Textatelier
BLOG vom: 09.05.2005

Erdmannshöhle: Tropfsteine für Basler und Soldaten

Autor: Heinz Scholz

Zwischen Wehr und Schopfheim D liegt das reizende Dorf Hasel. Es hat eine besondere Attraktion zu bieten: Die Erdmannshöhle, eine der schönsten Tropfsteinhöhlen Deutschlands (www.gemeinde-hasel.de). Die Gesamtlänge der Höhle beträgt 2185 Meter. Der Schauteil ist 360 Meter lang.

1992 hatte ich die Höhle bereits mit dem Höhlenforscher Peter Blumauer von der Arbeitsgemeinschaft für Höhlen- und Karstkunde am Dinkelberg e.V. besucht. Er zeigte mir damals den nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Teil der Erdmannshöhle. Höhepunkt war die Durchquerung eines vielleicht 15 Meter langen Tunnels, durch den wir uns zwängen mussten. Wir gelangten dann in einen Hohlraum mit einem riesigen Tropfstein. Nach eingehendem Studium ging es wieder durch die enge Röhre zurück. Etwas fülligere Menschen wären hier unweigerlich stecken geblieben.

Gestern Sonntag war wiederum eine Höhlendurchquerung angesagt. Mit dabei waren meine Tochter Daniela, mein Schwiegersohn Domenico und mein Enkel Manuele. Zusammen mit einer Gruppe Touristen und einem jungen Höhlenführer tauchten wir in die faszinierende Unterwelt ein.

Ich gab meinem Enkel eine Taschenlampe mit, damit er auch in Spalten, die nicht von der Höhlenbeleuchtung erfasst wurden, hineinsehen konnte. Er war so fasziniert, dass er sogar in einen unbeleuchteten Spalt hineinkriechen wollte. Ich erklärte ihm, dass diese dunklen Zonen nur für Höhlenforscher reserviert seien. Da antwortete er: „Ich bin doch ein Höhlenforscher.“ Er wäre mit seinen 5 Jahren wohl der jüngste Höhlenforscher der Welt.

Wir mussten uns manchmal durch schmale Gänge zwängen, öfters unsere Köpfe einziehen und auch tief gebückt durch bestimmte Passagen gehen. Ab und zu hörte man einen kurzen Aufschrei, wenn so manch ein Kopf mit der tief hängenden Höhlendecke Bekanntschaft machte. Das Wasser tropfte an etlichen Stellen von der Höhlendecke auf die weisen und greisen Häupter der Höhlenwanderer.

Die Besucher erfuhren vom Höhlenführer vieles über die Entstehung der Tropfsteine. Die von der Decke wachsenden Tropfsteine werden Stalaktiten und die von unten nach oben wachsenden Stalagmiten genannt. Dann gibt es noch die Stalaknate, die zusammengewachsene Formen sind.

Ein Tropfstein entsteht so: Die Kohlensäure löst Kalk (Kalziumcarbonat) auf, und es entsteht das lösliche Kalziumhydrogenkarbonat. Im Höhlenraum spaltet sich die Kohlensäure wieder ab, und es fällt Kalziumkarbonat aus. Der kalkhaltige Wassertropfen bleibt entweder an der Höhlendecke hängen oder fällt auf den Höhlenboden. Das Wasser verdunstet, und der Kalk bleibt zurück. Im Laufe von Jahrtausenden bilden sich Tropfsteine aus. Im Durchschnitt braucht ein Tropfstein 100 Jahre, um einen Zentimeter zu wachsen.

In der Höhle wuchs auch Deutschlands grösster und ältester Tropfstein heran. Er ist über 4 Meter lang und an der Basis 2 Meter dick.

In der Höhle sind viele Figuren zu erkennen, so ein „Totenkopf“, der „Rheinfall von Schaffhausen“, der „Turm von Babel“, „Hochzeitstorten“, eine „Eidechse“ und „Orgelpfeifen“. Mit etwas Phantasie glaubt man auch eine Eule, ein Hexenhaus, ein Schwert, ein Schild und eine Ritterburg zu sehen.

Erstaunlich waren für mich die Vielfarbigkeit der Wände, Sintergebilde und der Tropfsteine. Die Farbe wird hervorgerufen durch verschiedene Mineralsalze, zum Beispiel die grüne Farbe durch Kupfersulfat, gelbliche bis rötliche Nuancen durch Eisenverbindungen und dunkelbraune bis schwarze Färbungen durch Mangansalz oder Russreste von Fackeln.

Der Höhlenführer wies auch auf die Vielzahl von abgeschlagenen Tropfsteinen hin (er sprach von 50 %). In Zeiten, in der die Höhle noch unzureichend geschützt und für jedermann frei zugänglich war, wurden Tropfsteine oft abgeschlagen. 1867 schreibt Bezirksförster Bayer, dass „  . . . ganze Wagenladungen als Gartenverzierung nach Basel geführt wurden . . . Eine neue Beschädigung ward den Tropfsteinen im Jahr 1848 und 1849 durch das in der Gegend liegende Militär zugefügt, bis solches die gewünschten Andenken sich zugeeignet hatte.“

Es sollen Tropfsteine bis zu einer Länge von 1,20 Meter verschwunden sein. Eine unglaubliche Freveltat an einem Naturdenkmal. Ich habe mich schon oft gefragt, wo die abgeschlagenen Teile in Basel geblieben sind. Sollte ein aufmerksamer Basler merkwürdige Gartenpfähle sehen oder in einem herrschaftlichen Haus entdecken, dann bitte ich um Meldung.

Nach 40 Minuten verliessen wir tief beeindruckt diese faszinierende Unterwelt. Und unser Enkel sprach noch lange danach von grossen Tropfsteinen, den dunklen Spalten und tropfenden Decken. Ob er Höhlenforscher wird – wir werden sehen.

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