Textatelier
BLOG vom: 20.04.2005

Bärlauch-Genuss statt via Herbstzeitlose ins Gras beissen

Autor: Heinz Scholz
 
Hurra, es ist wieder Bärlauchzeit! Von überall her strömen die Bärlauchfreunde in die Wälder des Südschwarzwalds, um die Blätter des „Wildknoblauchs“, wie er auch genannt wird, zu sammeln. Er ist deshalb so beliebt, weil die nach Knoblauch duftende Pflanze sehr gesund ist und in der Küche vielseitig verwendet werden kann. Auch am Jurasüdfuss in der benachbarten Schweiz gedeiht er ausgezeichnet; und man kann ihn überdies fast überall in Europa, im Kaukasus und auch in Nordasien antreffen, wo es Auen und feuchte Wälder gibt.
 
Bärlauch (Allium ursinum L.) in Form von Salat oder Suppe eignet sich hervorragend zu einer Blutreinigungskur im Frühjahr. Bärlauch hilft auch bei Magen- und Darmstörungen und Appetitlosigkeit.
 
„Wohl kein Kraut der Erde ist so wirksam zum Reinigen. Ewig kränkelnde Leute sollten den Bärlauch verehren wie Gold.“ Diese euphorischen Worte äusserte einst der Schweizer Kräuterpfarrer Johann Künzle (1857–1945), und er fügte noch hinzu: „Der Bärlauch ist eine der stärksten und gewaltigsten Medizinen in des Herrgotts Apotheke.“ 
 
Ich wollte gern einmal in Erfahrung bringen, was ein Küchenchef über den Bärlauch so denkt. Hier die Antwort von Bernd Roser, Chef der „Sonnhalde“ in Bürchau (Kreis Lörrach D): „Speziell im Dialog mit der herrlichen Spargelzeit ist Bärlauch ein toller Begleiter. Ich verarbeite die kleinen Wildknoblauchblätter zu Wildblattsalat oder gemixt in Saucen, Suppen und Risotto.“ Damit ist sein Repertoire an Bärlauch-Rezepten noch lange nicht erschöpft. Er bereitet aus den Blättern auch Bärlauchessig und Bärlauchöl.
 
Weitere Zubereitungen, die es bei uns gibt, sind Bärlauchspätzle, Bärlauchwurst, Bärlauchschinken, Bärlauchpesto, Kräuterbutter und Kräuterquark mit Bärlauch.
 
Aber aufgepasst beim Sammeln! Unkundige verwechseln zuweilen die lanzettförmigen Blätter mit den Blättern der hochgiftigen Herbstzeitlose. Die Gefahr besteht deshalb, weil die Blätter zusammen mit den Bärlauchblättern im Frühjahr herauswachsen.
 
Apotheker Frank Hiepe – er ist Co-Autor meines Heilpflanzenbuchs „Arnika und Frauenwohl“ (siehe Buchanzeige im Textatelier) – warnte anlässlich eines Interviews im Südwestfunk vor einer Verwechslungsgefahr. Er erzählte von einem Vergiftungsfall: Eine Frau sammelte eine Portion Bärlauchblätter, die einige Blätter der Herbstzeitlose enthielt. Sie kochte damit ihrem Gatten ein feines Süppchen. Der Mann überlebte dieses Mahl nicht. Frank Hiepe erklärte auch, wie man Bärlauchblätter leicht von anderen unterscheiden kann: Bärlauchblätter riechen und schmecken knoblauchartig. Die Blätter sind ausserdem gestielt. Herbstzeitlosenblätter sind ungestielt und riechen nicht.
 
Eine schalkhafte Kundin, die das Interview aufmerksam verfolgt hatte, kam am nächsten Tag in die Apotheke von Frank Hiepe und sagte: „Herzlichen Dank für Ihren guten Tipp.“ Der Apotheker glaubte zunächst, sie bedanke sich für den Ratschlag, wie man die Bärlauchblätter von giftigen Blättern unterscheide. Aber die Kundin spielte auf etwas ganz anderes an: „Nun weiss ich, wie man jemanden um die Ecke bringen kann.“ 
 
„Ehepaar kannte Bärlauch nicht: tot“, titelte die „Badische Zeitung“ am 23. April 2004 von einem Fall einer Verwechslung. Das ältere Paar wurde tot in seiner Wohnung in Reutlingen D aufgefunden. Im Kühlschrank entdeckten die Ermittler noch Reste von Herbstzeitlosenblättern, und sie vermuteten, dass der Mann die Blätter gesammelt und sie wegen seiner eingeschränkten Sehleistung verwechselt hatte.
 
Eine weitere Geschichte hörte ich heute von unserem Nachbarn Ewald G. Er kam gerade vom Bärlauchsammeln zurück. Er sammelt Bärlauch schon seit vielen Jahren und kennt mögliche Verwechslungsgefahren. Er berichtete mir von 2 Frauen und einem Mann, die mit grossen Körben voller Bärlauchblätter aus dem Wald kamen. „Hoffentlich ist das Bärlauch“, hörte er eine Frau zur anderen sagen, dann marschierten sie zu einem nahe gelegenen Parkplatz und stiegen in ein Auto. Mein Nachbar, der ebenfalls auf dem Heimweg war, sah sich den Wagen genauer an und entdeckte die Aufschrift von einem Altersheim. Nun wusste er, warum das „unwissende Dreigestirn“ so grosse Mengen Bärlauch dabei hatte. Die Blätter waren für den Koch bestimmt, der wohl ein köstliches Bärlauchmahl für die Altersheimbewohner auftischen wollte. Mein Nachbar lächelte verschmitzt und meinte: „Da werden wohl einige den Schirm zumachen.“
 
Als ich im letzten Frühjahr eine Bärlauchwanderung, die von einer Naturschutzbeauftragten geführt wurde, mitmachte, entdeckte ich Pflanzen der Herbstzeitlose in der Nähe von Bärlauch. Alle blickten ganz erstaunt drein, als ich den Teilnehmern die Herbstzeitlosen zeigte und auf die Vergiftungsgefahr hinwies. Sie wollten es nicht glauben, dass beide Pflanzen so nahe beieinander wuchsen. Sie waren felsenfest überzeugt, die Herbstzeitlosen würden nur auf Wiesen wachsen.
 
Also aufgepasst, ihr fleissigen Bärlauchsammler! Schaut genau hin und sammelt die richtigen Blätter! Denn sonst könnte das euere letzte Mahlzeit sein.
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