Textatelier
BLOG vom: 03.03.2021

Skisportgeschichte: Sittsame Frauen auf der Piste

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim

 


Ski-Bindungen anno dazumal
 

Bevor ich über die Wiege des deutschen Skisports berichte, etwas über die damalige Wintermode im Hochschwarzwald. Bevor sich die Unisexkleidung vor dem Ersten Weltkrieg etablierte, durften die Frauen noch keine Hosen tragen. Es wurde auf eine sittsame Kleidung geachtet. Bei kleinen Wettbewerben fuhren sie in wallenden Wollröcken. Wohlbehagen sorgten Baumwollunterhosen und handgestrickte Strümpfe aus Schafwolle. Kein Wunder, dass alles schnell nass wurde. Es gab ja noch keine Bekleidung aus atmungsaktiver, wind- und wasserdichter Kunstfaser. Die Frauen trugen noch eine samtene Mütze, oft einen Rotfuchsschal und eine schwarze Winterjacke.

Noch 1925 hiess es: „Es tut schon in der Ehe selten gut, wenn die Frau die Hosen anhat, aber im unbarmherzigen hellen Licht eines Skitages noch viel weniger.“ Später gab es das „Modell Feldberg“, eine Kombination aus Rock und Hose.

Und was hatten die Männer an? Sie trugen „Sundigskleidung“, so einen Wäldlerhut, ein weisses Hemd mit Krawatte, einen Hochzeitsanzug oder einen Zweireiher sowie Hose mit langen Socken und Gamaschen. Die Füsse steckten in Schnürstiefel mit grossen Bergsteigersohlen.

In den 1930er Jahren trug man Alltagskleidung. In Freiburg waren Sportanzüge im englischen Stil „in“. So sauste so mancher auf der Skipiste mit Knickerbockern, Wollstrümpfen und Gamaschen ins Tal. Dann kam die Keilhose auf, die bereits in den Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen getragen wurde.

Infos: Unter www.schwarzwaelder-skimuseum.de sind viele Infos zu bekommen. Leider ist das Museum in Hinterzarten wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Alle warten auf eine Aufhebung des Lockdowns.

 


Stöcke zu Holzskier
 


Schneeschuhe und Steigeisen
 

Wiege des deutschen Skisports
Als sich der Schiffsarzt Dr. Tholus in Todtnau im Hochschwarzwald niederliess, überlegte er, wie er den mühevollen Weg im Winter zu seinen Patienten besser bewältigen konnte. Als er einen Bericht über hölzerne Latten, die sich Bewohner der nordischen Völker umschnallten und damit herumfuhren, las, besorgte er sich diese „Schneeschuhe“. Dies war 1888. Die ersten Versuche in seinem Garten waren jedoch nicht so erfolgreich. Der Arzt hatte Schwierigkeiten, mit seiner Leibesfülle, Ungeschicklichkeit und Ungeduld, so dass er bald die 2,50 Meter langen Latten in die Ecke warf. 1888 überquerte der Polarforscher Fridtjof Nansen (1861-1930) als Erster Grönland über das Inlandeis auf diesen „Schneeschuhen“. Dies war eine Sensation. Bald darauf wurden die Todtnauer Fritz Breuer und Karl Thoma II aktiv und probierten die „langen Sandalen“ mit Erfolg aus. 1891 wagten sich die Pioniere auf den Feldberg.

Kurz vorher, so erzählte der Wirt vom Feldberger Hof, bestieg der französische Konsul Dr. Pilet von der Höllentalseite aus den Feldberg. Dieser Arzt war es auch, der bald darauf Skiunterricht erteilte. Die Begeisterung der Skifreunde kannte keine Grenzen, so dass bereits im Spätherbst 1891 der erste deutsche Skiclub in Todtnau gegründet wurde. Fridtjof Nansen wurde Ehrenmitglied. Bald darauf folgten Wettläufe und Hindernis-Skispringen.

Auch die Damen konnten sich für die „Schneeschuhe“ begeistern. 1897 fand bereits das erste Damenskirennen auf dem Feldberg statt, für die damalige Zeit eine Sensation.  1900 lud der Todtnauer Skiclub zur ersten Deutschen Meisterschaft auf dem Feldberg ein. Die Teilnehmer mussten eine Strecke von 23 Kilometern zurücklegen. Bjarne Nilsen, ein norwegischer Student, lief allen davon. Seine Bestzeit von der Belchenspitze über den Stübenwasen zum Feldberg betrug 3 Stunden, 10 Minuten. Eine Zeit, die alle Hochachtung verdient.

 


Lieferant Kost. Basel
 

Infos zu den Fotos
Alice Kneusslin von Schopfheim zeigte mir in ihrem Haus verschiedene Schneeschuhe, Steigeisen, und ein Paar alte 2,50 m lange Holzski mit Stöcken. Die Schneeschuhe kaufte ihr Schwiegervater vor etwa 100 Jahren bei der Firma Leonhard Kost & Cie in Basel.

Literatur
„Todtnau – Stadt und Ferienland im südlichen Hochschwarzwald“, herausgegeben von der Stadt Todtnau 1989 (Bericht über den Skisport von Brigitte Bernauer).
Maurer, Dieter: „Schick im Schnee“, „Der Sonntag“, 7.02.2021.

Internet
www.schwarzwaelder-skimuseum.de
www.skiclub-todtnau.de

Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst