Textatelier
BLOG vom: 04.05.2018

Verbrechen, Ängste, Drang und Fatalismus

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/D.


Macht Fehlverhalten süchtig?

Wenn ja, und, wenn um diese Sucht wirksam zu bekämpfen, einfach die Kraft und die Absicht fehlt oder der Wille zur Umkehr, ist dann eine Haftstrafe überhaupt sinnvoll? Erhöht sie nicht vielmehr die Sehnsucht, nach der Entlassung wieder in diese Rolle zu fallen? Schliesslich gab das Verhalten zuerst einmal ein Erfolgsgefühl. Ja, der Einbruch hat geklappt, er war lohnenswert, ja die Betrügerei im Internet, der Handel mit Drogen, funktionierte ganz problemlos und brachte Geld, das man im grossem Stil ausgeben konnte, es war ja so einfach, an neue Einnahmen zu kommen. Und, der Missbrauch führte zum Abbau des inneren Druckes, zu einer gewissen Befriedigung. Der Mensch will Befreiung von Zwang- und Dranggefühlen. Triebgesteuerter Druck muss abgeleitet werden, anders ist er nicht auszuhalten.

Du spürst unbewusst, dass deine inneren Bedürfnisse nicht mehr mit deiner Rolle in der Gesellschaft vereinbar sind. Du hast den inneren Drang, dich zu verändern, auszubrechen, mehr Freude zu leben und dein inneres Wesen zum Ausdruck zu bringen.

Dieser Drang ist für den Menschen als Gemeinschaftswesen erst einmal sehr bedrohlich, wenn auch in unserer heutigen Zeit eher weniger bewusst. Obwohl wir in unserer Gesellschaft so sehr auf Eigenständigkeit, Ellbogenmentalität und Konkurrenzdenken getrimmt werden, ist die Anlage in uns: Wir brauchen ein stabiles Netz von anderen nahestehenden Menschen, die uns Sicherheit geben, das Gefühl geliebt zu werden und auf die wir uns verlassen können. Deshalb nimmt jedes Individuum in einer Gruppe eine bestimmte Rolle ein und verhält sich dem entsprechend.

Die dazu gehörigen Prägungen für unsere Rolle erhalten wir bereits in der Kindheit. Besonders für die ersten Lebensjahre ist es überlebenswichtig, bei der Gemeinschaft zu sein, akzeptiert und geliebt zu werden. Daher lernen wir von klein auf, welche Verhaltensweisen erwünscht und welche unerwünscht sind und tun, was uns die meiste Sicherheit bringt.

Es entstehen die ‚braven Mädchen’, die immer alles richtig machen wollen, die ‚starken Jungs’, die eines Tages hart arbeiten sollen für ihr Geld und keine Schwäche zeigen, die Perfektionisten, die Narzissten, die Kontrollfreaks. Es entsteht zwangsläufig eine Maske mit einer Kombination aus Mustern und erlernten Verhaltensweisen, die so tief verankert sind und es fällt niemandem auf, dass sie erlernt sind. Nicht einmal dem Maskenträger selbst.

Manchen Menschen fällt niemals auf, dass sie nicht nur anderen, sogar sich selbst gegenüber eine Rolle spielen …

Kommt es nun durch verschiedene Umstände, seien es familiäre oder berufliche Unzufriedenheit, körperliche Krankheiten oder gar traumatische Erfahrungen und heftige Schicksalsschläge dazu, dass sich ein so großer innerer Druck aufbaut und die Maske hinterfragt werden muss, entsteht eine diffuse Form von Angst. Denn wie eben erwähnt, es steckt einfach in uns drin, dass wir uns von unserer Rolle in der Gesellschaft abhängig fühlen – wie könnten wir sie also in Frage stellen?

Aber nicht nur das Sichern-wollen der Rolle in der Gesellschaft führt zu Ängsten. Verstärkt wird die ganze Situation noch, weil mit unterdrückten Bedürfnissen auch die eigene Lebensenergie unterdrückt wird. Wenn du dein bisheriges Leben ein wenig in Frage stellst, wenn du den leisen Schimmer davon gespürt hast, dass vielleicht noch viel mehr für dich zu haben ist, gibt es kein Zurück mehr. Es ist dann, als ob du einen Deckel auf einen überkochenden Topf drückst. Es will sich etwas in dir entfalten und du lässt es nicht zu.

Jeder einzelne Mensch ist ein Wesen in ständiger Weiterentwicklung und Wandlung (inneres Wachstum). Wenn du deiner Lebensenergie und dem Drang nach Entwicklung den Raum nicht gibst, schlägt sie Alarm um sich bemerkbar zu machen. Sie drückt von innen, damit du sie hörst! Damit du auf sie aufmerksam wirst, muss sie sich in unangenehmen Gefühlen und körperlichen Symptomen melden. Die Angst will dich also wachrütteln! Sie ruft: Jetzt hör endlich hin, verdammt! Du bist auf dem richtigen Weg, lass es zu, ändere etwas!
Deine Lebensenergie erwacht, tief in dir drin beginnst du zu überdenken, ob das, was du lebst das richtige ist. Ob da nicht mehr für dich zu holen ist. Du hinterfragst deine Rolle und dein Selbstbild.

Es ist also die Angst, aber sie wird nicht als solche erkannt.

Ich – und Angst, lächerlich! Ist es nicht vielmehr so, dass ich einen Weg gefunden habe, ein leichtes unbeschwertes Leben ohne viel Arbeit führen zu können? Ihr seid ja nur neidisch, weil ihr euch das nicht traut!

Wenn nur diese blöde Gesellschaft nicht wäre, mit den Gesetzen und Vorschriften, dann wäre das Leben noch angenehmer! Ich akzeptiere sie einfach nicht, für mich gilt, wie ich mich entfalten kann, für mich zählt mein individuelles Glück!

Gleichzeitig hoffen sie darauf, dass der soziale Zusammenhalt, die Beziehung zu Freundin und Ehefrau, zu Kindern und Freunden daran nicht zerbricht, auch noch hält, wenn man im Gefängnis sitzt und seine Strafe absitzt. Schliesslich ist man beliebt und anerkannt. Das kann einfach nicht aufhören, nur weil einen der Staat hinter Gittern hält.

Und so sehnt man sich nach Besuchen, nach dem Austausch von Eindrücken, Problemen, Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen, eben nach dem Gefühl, dazu zu gehören.

Natürlich behauptet man, dass man sich ändern wolle, das so etwas nicht mehr vorkommen werde, dass das Leben nicht mehr gesetzeswidrig verlaufen wird, ist man erst wieder frei. Ganz tief verdrängt wird der Drang, einfach so weiter zu machen, in die hinterste Ecke geschoben.

Ich will es nicht wahrhaben, dass ich Angst davor habe, wieder in das alte Muster zu verfallen.

Therapeuten wollen die Häftlinge wieder auf den rechten Weg bringen. Bewährungshelfer sollen vor erneuten Straftaten bewahren. Aber sie machen es sich zu einfach, wenn sie davon überzeugt sind, ihre Arbeit sei die richtige und müsse zum Erfolg führen. Nur der oder die straffällig Gewordene, da fehle der rechte Wille, sich zu bessern!

Liegt es wirklich in seiner, in ihrer Macht? Ist das Gerede vom freien Willen, den man hat, nicht absoluter Unsinn?

Ich sehe es doch an mir! Ich kann einfach nicht anders! Schon im Gefängnis sehne ich mich danach, es wieder und wieder zu tun! Nur erwischen lassen will ich mich nicht mehr!

Um aus diesem Teufelskreis heraus zu kommen, benötigt jeder Kraft, unmenschliche Kraft. Da braucht man nicht unbedingt schwach zu sein, um an diesem Anspruch zu scheitern! Dann lieber einfach wieder weitermachen, wie vor der Haftzeit!
Es gehört zu meinem Leben, dieses Wechselbad. Straftat, Gefängnis, Urteil, Schuldspruch und Gefängnis, Entlassung – und dann geht das Spiel von vorne los.

Da ändere ich nichts dran! Ich wüsste nicht wie! Es gehört einfach zu meinem Leben dazu! Auch im Gefängnis wird gelebt, wenn auch unter harten Bedingungen. Ich bin stark, ich überstehe auch das wieder! Es sind ja nur noch ein paar Jahre! – Nur zum Vorbild sollte mich niemand, schon gar nicht mein Sohn oder meine Tochter, nehmen!

Fatalismus bezeichnet ein Weltbild, bei dem alle Geschehnisse dem Schicksal zugeordnet werden, dem man machtlos gegenübersteht.

Fatalismus hält die Fügungen des Schicksals für unausweichlich und hält die Vorstellung des freien Willens für eine Illusion. Fatalismus ist auch die Bezeichnung für eine Art Passivität eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen: Wenn jemand oder eine Gruppe von Menschen nichts tut, um ihr Schicksal, ihr Leben zu verbessern, kann man von Apathie und Fatalismus sprechen.

Einige Gedanken darüber, was Fatalismus vielleicht mit Rückenschmerzen zu tun haben könnte. Fatalismus ist eine gewisse Schicksalsgläubigkeit. Menschen, die an ihr Fatum, ihr Schicksal glauben, und denken, dass alles vorherbestimmt ist und dass sie wenig ändern können, einer Situation hilflos ausgeliefert sind, die nennt man Fatalisten.
Fatalismus ist also eine gewisse Lebenseinstellung, eine gewisse Welteinstellung, die davon ausgeht, dass du deine Situation nicht ändern kannst. Es gibt positiven Fatalismus und es gibt nicht so positiven Fatalismus. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass Menschen, die vertrauensvoll an ihr Schicksal glauben, dass diese Menschen tatsächlich wenig unter Rückenproblemen leiden.

Gibt es einen Ausweg? Es gibt nur den: Bewusst werden, was einen (an-)treibt und dann Selbstvertrauen aufbauen, positiver Zukunftsglaube, Visionen, und die eigene Überzeugung, dass man es schaffen kann! Manche schaffen es mit Hilfe von Organisationen, die den Entlassenen Wege weisen, aus dem Dilemma heraus zu kommen. Sie geben ihnen Anerkennung, zeigen ihnen, dass sie etwas wert sind. Es gehört Überwindung dazu, sich dem zu unterwerfen. Verdammt schwierig das Ganze!

Quelle
https://compassioner.com/allgemein/angst-zeichen-inneres-wachstum-comfort-zone/
https://wiki.yoga-vidya.de/Fatalismus

 


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