Textatelier
BLOG vom: 27.02.2018

Gleichnisse und Parabeln

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


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Ein Mann ging von dannen, um nach hinnen zu gelangen. Dieser Weg ist lang. So kehrte er um nach hinnen zurück. Das ist wirklich ein weiser Mann.

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Jemand schrie laut über den Fluss hinweg: “Wie komme ich auf die andere Seite?” Das Echo antwortete: “Du bist ja schon auf der anderen Seite.”


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Der hohle Baum

Diese riesige und uralte Eiche fesselte den jungen Baschi. Er entdeckte eine enge Öffnung, durch die er sich zwängte. Hurtig kletterte er im hohlen Baum hoch und entstieg dem Baum und setzte sich auf eine breite Astgabel. Diese Astgabel wurde sein Refugium, wann immer er ungestört sein wollte.

Innerhalb eines Jahrs war Baschi zu gross geworden und konnte nicht mehr in die Eiche eindringen.

Dank dieser Eiche hatte er gelernt, wie man sich abseits der Hektik erholen kann. Solche Pausen sind notwendig und schätzenswert.


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Die Tanzschule

Der junge Baschi sei ein guter Turner, pries ihn die Dame im Gespräch mit seiner Mutter. Sie schlug vor, dass er ihrer Tanzschule beitrete.

So kam es, dass sich Baschi zu einer gleichalterigen Gruppe von Mädchen und Knaben gesellte, um die Tanzschritte des Reigentanzes zu lernen.

“Zwei Schritte voran, einen zurück”, klatschte die Dame mit den Händen den Takt zur Begleitmusik. Baschi fand das blöd. Er müsse die Toilette aufsuchen, sagte er und verschwand spurlos.

Die Dame meldete der Mutter, dass sie Baschi nicht finden konnte – er sei einfach verschwunden ... Wir werden ihn schon finden, meinte der Vater. Und tatsächlich fand er ihn unterm Terrassenvorsprung des Elternhauses versteckt. Baschi war in ein Märchenbuch vertieft. Sein Vater konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. “Mir scheint, dass du kein Tänzer sein willst.” Sein Sohn nickte kräftig.

Dieses Gleichnis bezeugt klipp und klar, wie ein Kind seinen eigenen Willen schult. Damit festigt sich nach und nach seine Persönlichkeit! Das stärkt das Selbstbewusstsein als Erwachsener.


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Der alte Polstersessel

Das Haus gegenüber wurde geräumt. Sein Besitzer, Herr Smedley, war gestorben. Sein Sessel wurde auf die Strasse gestellt. Ein Anwohner hatte ihn entdeckt. “Sie können ihn haben”, sagte die Haushälterin. “Und diesen Bücherstapel ebenfalls. Das alles wird entsorgt.”

Der neue Besitzer konnte den Sessel in sein Haus gegenüber rollen. In einer Woche war der Sessel neu gepolstert und fand seinen Platz im Wohnzimmer.

Der hochbetagte Herr Smedley sass einst den ganzen Tag in seinem bequemen Sessel. Der Fernseher blieb den ganzen Tag angeschaltet. Zur Bettzeit half ihm eine Helferin aus dem Sessel und versorgte ihn in seiner Schlafstätte in Reichweite seines Sessels.

Ein Jahrzehnt später verweilte der neue Besitzer gern in diesem Sessel. Er fand viel Lektüre im Smedleys Büchernachlass. Das verhalf ihm zu Einfällen, die er eh wie je zu Texten verarbeitete.

Dieses Gleichnis belegt, dass das Hirn im Alter besonders intensiv gepflegt werden sollte. Das macht den Schlafrock überfällig.

 

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Hinweis: Den Einfall, diesen Text zu schreiben, verdanke ich Martin Bubers Buch “Reden und Gleichnisse des Tschuang-Tse” mit Bubers ausführlichem Nachwort zu u.a. Lao-Tses Tao-Lehre. (Im Insel-Verlag 1918 erschienen.)

 


 
 


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