Textatelier
BLOG vom: 13.05.2017

UK: Die Flucht aus Städten

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


Hin und wieder schalte ich das BBC 1 Programm “Escape to the Country” an. Meistens ältere Leute im Ruhestand wollen den Grossstädten entkommen und aufs Land übersiedeln.

Ihre Beweggründe sind mannigfaltig: Sie suchen die Stille auf dem Land, wollen näher bei ihren erwachsenen Kinder leben, frische Landluft atmen, auf Seitenwegen, abseits der Autos, spazieren gehen, sich zurück finden in Orte ihrer Kinderjahre, vom Heimweh getrieben, schöne Ausblicke auf die sie umgebenden Landschaften in Meeresnähe oder nahe an einem Fluss geniessen. Auch Waldnähe wird immer wieder von ihnen als wünschenswert erwähnt. Viele ziehen es vor, ihr Heim unweit von einem Dorf mit einem Pub, Kirche und Einkaufsmöglichkeiten zu finden. Es geht ihnen vor allem darum, den Anschluss mit der lokalen Bevölkerung zu sichern.

Im BBC-Programm werden diese “Aussteiger” nach ihren Wunschvorstellungen befragt, bevor sie drei mögliche Wohnstätte besichtigen, seien es Cottages, Bungalows oder grössere Einfamilienhäuser. Die Preisunterschiede zwischen Stadt und Land sind bemerkenswert. Die meisten Hausfrauen legen Wert auf eine grosse und gut (modern) eingerichtete Küche mit direktem Zugang ins Esszimmer nebenan oder in die geräumige “gute Stube”, wo sie ihre Gäste empfangen können. Allgemein bevorzugen sie heimelige altmodische Gebäude, die mit Cheminées für Holzheizung ausgestattet sind. Grosse Fenster auf der Sonnenseite mit Ausblick auf den Garten sind ebenfalls bevorzugt. Eine Veranda (abgedeckter und direkt durch eine Seitentüre zugänglicher Gartenraum) sichert ebenfalls Pluspunkte. Ehepaare wünschen eine Ecke, wo sie allein schalten und walten können. Eine Scheune (barn), für platzraubende Hobbies eingerichtet, ist vorwiegend auf der Wunschliste des Ehemanns. Ein grosses Schlafzimmer für zwei Personen ist unabdingbar, einige kleinere sind den Kindern, worunter Enkeln, und Freunden auf Besuch zugedacht. Soweit die Innenausstattung.

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Wieweit die erfolgreiche Umstellung aufs Landleben gelingt, bleibe dahingestellt. Ich selbst hatte den Wunsch gehegt, wieder in der Schweiz ansässig zu werden. Daraus ist nichts geworden.

In unserem Winkel in Wimbledon geniessen meine Frau und ich unser “Landleben”. Auf dem Privatweg erreichen wir unser Heim abseits des dichten Verkehrs auf der Hauptstrasse (Parkside Avenue). Kein Lärm erreicht unser Haus. In unserem recht weitschweifigen und halb verwilderten Garten haben viele Vögel ihre Bleibe gefunden und erquicken uns mit ihrem Gezwitscher und Gesang. Nach Lust und Laune erreichen wir leicht London mit seinem vielseitigen Angebot: Ausstellungen, Theater, Konzerte und Restaurants.

Daheim ist das Heim: unser Refugium. Das genügt uns vollauf. Wir haben Glück gehabt, am Rand der Grossstadt unsere Bleibe gefunden zu haben.

 


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