Textatelier
BLOG vom: 21.04.2017

Warum keine römische IV auf Kirchturm-Zifferblättern?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Katholische Kirche St. Bernhard
 

Als ich Rolf Hess eine Aufnahme von der Kirche in Fischingen (Landkreis Lörrach) zusandte, hatte er eine Idee für eine Preisfrage. Bevor ich darauf eingehe, schildere ich kurz, was sich auf dem Foto befand. Die Abbildung zeigte auf dem schrägen Dach des Kirchturms ein darauf montiertes Storchennest. Ein Storch war gerade dabei, mit seinem Schnabel die Zweige des Nestes zu ordnen. Da ich in etwa 200 m Entfernung knipste, achtete ich auf den Storch und sein Nest. Die Kirchturmuhr war nur zur Hälfte abgebildet. Ich sah die römischen Ziffern I bis III auf der rechten und die Ziffern IX bis XII auf der linken Seite des Zifferblattes.

Eine Antwort von Rolf Hess folgte per E-Mail. Er stellte mir eine Preisfrage. Ich könnte mit dieser Frage so manche Flasche Wein gewinnen. „Am besten, wenn ihr so ein Uhrenblatt seht. Dann sollen Deine Wanderfreunde das Zifferblatt an einem Kirchturm genau betrachten, sich umdrehen, und die römischen Zahlen 1 bis 12 dann aufzeichnen. Das haben wir ja alle in der Schule gelernt. Wenn sie`s können, spendierst Du 1 Flasche Wein, wenn nicht, machen Deine Freunde das.“

An Rolf Hess sandte ich auch einige Fotos von Schopfheimer Kirchen. Ich betonte, dass die mit römischen Zahlen versehenen Zifferblätter nicht ganz richtig sind. So sah ich, dass oft die IV so geschrieben wird: IIII. Ich sagte ihm, dies wäre falsch. Obwohl ich schon viele Uhren betrachtet habe, ist mir das vorher nie aufgefallen. Auch in meiner Wohnung ist eine Uhr mit der Zahl IIII. Die anderen Uhren haben arabische Zahlen oder nur Striche.

Rolf Hess äusserte, man könnte tagelang darüber diskutieren, ob die alten Uhrenblätter wirklich alle falsch sind. „Du kannst Tausende von Kirchen mit antiken Uhren betrachten, und die zeigen alle die 4 mit IIII an.“
2 der Schopfheimer Kirchen (Alte Stadtkirche St. Michael und die Katholische Kirche St. Bernhard) haben Uhren mit römischen Zahlen und der IIII. Die Evangelische Stadtkirche hat ein Uhrenblatt mit arabischen Zahlen.

Wer hat Recht?
Wer hat Recht? Neugierig, wie ich bin, wollte ich Näheres über diese Problematik erfahren. Ich schrieb an Eva Renz, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit am Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen.
Sie betonte, von falschen Vieren sollte man nicht sprechen, da die IIII schon vor dem 16. Jahrhundert die gängigste Schreibweise der Zahl 4 war.

 


Evangelische Stadtkirche
 

Sie schrieb mir per E-Mail vom 28.03.2017 dies: „Vermutlich fällt es leichter, eine Zahl durch Addieren zu entziffern als durch Subtrahieren. Jedenfalls war die Schreibweise IIII gängiger als IV. Betrachtet man alte Dokumente, z. B. Seitenangaben in Folianten, dann finden Sie häufig die IIII, aber zum Beispiel auch VIIII (9) oder XIIII (14). Zwar kommt die IV schon seit römischer Zeit vor, doch war sie in unseren Stichproben deutlich seltener vertreten.
Dass damit einer Verwechslung zwischen IV (4) und VI (6) vorgebeugt wird, oder gar das Zifferblatt eine gewisse Symmetrie erhält (zwischen IIII und VIII) sind m. E. willkommene Nebeneffekte. Sie könnten erklären, dass wir bis heute auf Zifferblättern die altertümliche IIII verwenden.“
Dies war die Erklärung einer Fachfrau. Damit dürften alle Unklarheiten beseitigt sein.

Ein Blick auf moderne Uhren?
Moderne Uhren-Designer verwenden heute oft keine römischen Zahlen mehr, sondern die arabischen oder nur einfache Striche oder Punkte. Blicken Sie einmal unter dem Stichwort „Uhren“ mittels Suchmaschine im Internet hinein, dann werden Sie ein wahres Tohuwabohu erleben. Da gibt es Damen- und Herrenuhren mit der römischen IV oder IIII, dann solche mit arabischen Zahlen. Eine Uhr hatte nur die XII, III, VI, IX, dazwischen waren nur Striche. Eine andere wies die folgenden Zahlen auf: 12, 3, 6, 9 mit Strichen dazwischen.
Moderne Uhren (z. B. von Citizen) haben gar keine Zahlen mehr, sondern nur Punkte oder Striche. Andere Uhren protzen jetzt schon mit Digitalanzeige der Uhrzeit.


Internet
www.deutsches-uhrenmuseum.de
www.bing.com

https://uhrengeschichten.wordpress.com/
(Wer Weckergeschichten einsendet, kann den Flexi-Wecker „Robert“ mit Digitalanzeige gewinnen – zurzeit ist eine Ausstellung zu Weckern: „verschlafen – aufgeweckt“ im Deutschen Uhrenmuseum zu sehen).

 


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