Textatelier
BLOG vom: 02.09.2015

Giftpilze

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London

Es gibt Leute, die man wie Giftpilze vermeiden soll. Herr Gehring ist ein solcher. Er lächelt giftig, was nur wenige erkennen. Dann ist es zu spät. Er ist ein Englischlehrer im hiesigen Gymnasium. Er hat mich aufs Korn genommen. Sein Sarkasmus traf mich wie Giftpfeile und machte mich vor meinen Mitschülern lächerlich und behinderte arg meine Gehversuche in der Fremdsprache. Die von ihm über mich verhängte Zeugnisnote hätte nicht schlimmer sein können. Ich verdanke es meinem Deutschlehrer, dass ich weiterhin im Gymnasium bleiben durfte. Begegnete ich Gehrings Augen, lächelte ich ihm trotzig ins Gesicht und verdoppelte meinen Lerneifer so sehr, dass ich einigen meiner Schulkameraden bei den Hausaufgaben helfen konnte. Fortan liess mich Gehring in Ruhe und war gezwungen, meine Noten nach und nach zu verbessern. Nach meinem ersten Aufenthalt in London hatte ich eine englische Freundin ins elterliche Haus eingeladen. Ich betrat mit ihr ein Café in der Innenstadt. Ausgerechnet Gehring sass mit seiner Familie am Tisch nebenan. Sein giftiger Blick traf mich und reizte mich, ihn mit vernehmbarer Stimme bloss zu stellen, natürlich auf Englisch. Das vertrieb ihn bald mitsamt der Familie vom Tisch nebenan.

Item, meine Erfahrung mit Gehring hat seinen Nutzen gehabt und ermöglichte mir, solche Giftpilze zu orten und aus dem Weg zu gehen.

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Jetzt kann ich diese Erzählung anfügen:

Der Fliegenpilz und die Tarantel

Dieser Pilz zeitigt unangenehme Nebenwirkungen, die Herr Hinze hinterhältig in klein dosierten Spritzen appliziert, wem immer er begegnet. Die Betroffenen merken das immer viel später. Er ist wendig und geschliffen, man könnte sagen mit allen Wassern gewaschen, und erscheint elegant gekleidet. Als Unternehmensberater schleicht er sich ins Vertrauen seiner Auftraggeber ein und verfolgt dabei seine eigene Agenda. Er spürt Schwächen der Auftraggeber auf und verunsichert sie. Er verzerrt und vergrössert Schwachstellen in der Organisation. Damit verlängert er die Projektdauer und pumpt seine Tagesraten hoch. Mit solchem Vorgehen kann er viele Probleme, mit einem Mindestaufwand seiner Zeit, angehen. Seine Spesen bedingen Reise- und Übernachtungskosten in teuren Hotels, Erstklassflüge, Taxi Ausgaben. Er beschäftigt Volontäre von der Hochschule, die ihn von zeitaufwendigen Vorarbeiten entlasten.

Am liebsten sind ihm grössere Firmen, wo er sich “einnisten” kann. Der Geschäftsführer unterschrieb in der Regel fraglos seine hohen Rechnungen und leitet sie an den Buchhalter zur Begleichung weiter. Solches Gebaren ist an der Tagesordnung im Geschäftsleben.

Der Hauptaktionär einer mittelgrossen Firma hatte Hinze durchschaut und verheimlichte seine eigenen Pläne, die ganz und gar nicht mit jenen von Hinze übereinstimmten. Hinze wollte einen Anteil in dieser Firma erwerben. Das habe seine Zeit, sagte der Firmenbesitzer, und komme darauf an, wie wirksam er den Personalbestand abbauen könne. Er forderte Hinze auf, im Hauptsitz der Firma diese Aufgabe auf temporärer Basis zu erfüllen. Das passte Hinze in den Kram. Er wechselte vom Hotel in eine Wohnung über. Seine Frau und Kinder vernachlässigte er mehr und mehr und besuchte sie selten.

Er wurde ein gern gesehener Gast in einem feudalen Restaurant. Die meisten Abende verbrachte er in der “Oasis”-Bar. In einer Kleinstadt blieb dies nicht unbemerkt. Mühelos betörte er Frauen und verführte sie bei jeder Gelegenheit, was hier nicht breit gewalzt sei. Hinze lebte in Saus und Braus.

Hinze genoss seine Rolle als graue Eminenz in der Firma, und der Personalbestand schrumpfte. Eigenmächtig entliess er den Verkaufschef und übernahm dessen Aufgaben. Damit sicherte er sich hinterlistig den Zugang zu Kunden.

Wer so rücksichtslos vorgeht, gewinnt keine Freunde. Sein Machtbereich war schlecht abgesichert. Wie eine Tarantel verfolgte der Inhaber sein Treiben aus dem Hinterhalt und lies seine Verkaufsabsicht nicht durchblicken. Hinzes Vorstösse, einen Aktienanteil zu erwerben, wimmelte er ab, mit dem Hinweis, “dass es noch nicht soweit sei”.

Da kam der Tag, der Hinze aus dem Sattel warf. Der Inhaber, im Beisein seines Anwalts, gab preis, dass er altersbedingt sein Geschäft verkauft habe. Der Fortbestand der Firma war gesichert. Er verwies den aufgebrachten Hinze an seinen Anwalt. “Sie sind kein festangestellter Mitarbeiter”, sagte dieser Hinze ins Gesicht, “und alle ihre Ansprüche sind folglich ohne Substanz.” Hinze war entmachtet. Ausserdem hatte er seine Praxis vernachlässigt und sein Ruf war geschädigt. Wie kann sich Hinze wieder hochrappeln? Das bleibt eine offene Frage.

 
 

 


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