Textatelier
BLOG vom: 07.10.2013

Verlust einer Tradition: Wer schreibt heute noch Briefe?

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Ich schreibe sehr selten Briefe. Meine Handschrift ist zur Sudelschrift geworden, die manchmal selbst für mich unleserlich ist, es sei denn, ich gebe nachher den Text sofort in „Reinschrift“ in den PC ein. Dem ist nicht immer so gewesen. In London hatte ich einen regen Briefwechsel mit meinen Eltern in Basel. Und war ich unterwegs, verschickte ich Postkarten. Ausserdem unterhielt ich auch verschiedene Brieffreundschaften über die Landesgrenzen hinweg.
 
Schriftsteller und Künstler aller Art haben ihren Briefwechsel mit ihren Zeitgenossen ausgetauscht, die uns Einblick in ihr Leben gewähren. Briefe begleiteten auch Geschenke an Geburtstagskinder, per Post geschickt oder persönlich überreicht. Diese wurden ebenfalls brieflich verdankt.
 
In unserer schnell lebenden Welt hat sich diese Tradition verloren. E-Mail und andere elektronische Kommunikationsmittel haben sie ersetzt. Einfälle halte ich noch immer stichwortartig in meinem Notizblock fest, worunter auch aphoristische Gedankenblitze. Mit solchen Vorstufen zu Texten ordne ich meine Gedanken. Entwürfe sind mir – je nach inhaltlichen Anforderungen – ein notwendiges Arbeitsinstrument, mit einem Gärungsprozess vergleichbar.
 
Mein Vater hat mir eine kleine Sammlung von Schreibübungen von Schülern aus dem Kanton Graubünden hinterlassen, denen das Alphabet vorangestellt war. Manchmal geriet ein Haar in die Tintenfeder … Damit hat er mein Interesse an der Kaligrafie erweckt.
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Ältere Leute, so höre ich da und dort, bevorzugen weiterhin den handschriftlichen Verkehr. Doch verbreite sich dieser Trend auch unter jüngeren Leuten, wird mir versichert. Wie kommt das? Damit gewinnen Zeilen eine persönliche Note und sind auf den Briefempfänger ausgerichtet. Ich vermute, dass es auf diese Weise zu weniger Flüchtigkeitsfehler kommt. Die Sätze werden beim Schreiben besser durchdacht, denn der Briefschreiber gönnt sich mehr Zeit und Musse. Nebenbei gilt das auch für die Einkaufsliste. Meine Frau lässt sich nicht laufend im Einkaufszentrum von Sonderangeboten ködern: Sie weiss, was sie braucht. Das erspart ihr Zeit und erst noch Geld.
 
„Das eine tun, und das andere nicht lassen“, führt letztlich zum Kompromiss zwischen den 2 Extremen: dem Handgeschriebenen und der Tastatur, und die Devise bestärkt uns, unsere Eigenart und Persönlichkeit zu wahren. Auch das Buch in der Hand ist mir lieber als die neu entwickelten Lesegeräte. Doch bei Recherchen nutze ich die immensen Möglichkeiten von Google und anderen Informationsquellen – mit gewissen Vorbehalten. Sachbücher stehen mir zur Seite.
 
Immer wieder beklagen gebildete Leute, dass der Wortschatz junger Menschen schmelze wie die Eiskappe des Nordpols. Für sie sind die Kunst des Lesens und die Disziplin des kritischen Denkens Fremdland geworden. Hier müsste die Ausbildung in den Grundschulen fördernd einspringen.
 
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