Textatelier
BLOG vom: 11.07.2013

Heiligsprechungen, Lossprechung und die heilige Einfalt

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Ich will Ihnen jetzt einmal meine ganz persönliche Meinung zur Selig- und Heiligsprecherei der Kirche verkünden:
 
Die führenden Manager der katholischen Kirche müssen immer wieder zeigen, dass sich eine Mitgliedschaft lohnt. Wenn man irgendwie im Sinne der Kirche positiv aufgefallen ist, sei es als Obermanager, wirre, christlich-angehauchte Worte von sich gegeben hat, behauptet, dass man eine Erscheinung von einer verstorbenen Ikone der Kirche hatte, wenn man fest auf seiner Meinung, nur die katholische Kirche sei die wahre und alleinseligmachende, bestanden hat – oder wenn ein paar Menschen von sich behaupten, eine Fürbitte an die Person gerichtet zu haben, und deshalb sei ihr Krebs oder ihr todbringendes anderes Leiden von einem Tag auf den anderen von ihnen abgefallen und das als Wunder definiert wird, oder alles zusammen, dann hat man gute Chancen, selig oder gar heilig (auch „sakral“ genannt) gesprochen zu werden. Jedenfalls, nachdem man seinen letzten Atemzug getan hat.
 
Dabei kommt es nicht darauf an, ob man am Tod vieler Menschen mitgewirkt hat, die beispielsweise die Denkweise der katholischen Kirche und überhaupt deren Hierarchie abgelehnt haben, herumgehurt oder – wie in letzter Zeit vorgekommen – Missbrauch an anvertrauten Buben begangen und nicht angezeigt hat, denn das alles ist menschlich und wird vor Gott verziehen werden.
 
Ein sogenanntes demütig geführtes Leben im Sinne der „heiligen Kirche“ wird natürlich am liebsten gesehen, also wenn man brav dem gefolgt ist, was diese an Kirchengesetzen und Vorschriften als die Grundlage des Glaubens nennen, wenn man im Grunde also ein Schaf gewesen ist, das nur nachblökt, was vorgebetet wird und hinterher trottet. Das wird als gottgewolltes Leben angesehen. (Es heisst ja: „Weide meine Lämmer.“) Ob dieses Tun den Menschenrechten Genüge getan hat, ist unwichtig, Hauptsache, es war im Sinne der Kirche.
 
Nicht vergessen: Die Selig- und Heiligsprechung ist keine Belohnung und eigentlich auch keine Ehrung, sondern sozusagen die offizielle Beurkundung einer Tatsache. Und was eine Tatsache ist, bestimmen der Papst und die anderen Topmanager der Kirche im Vatikan.
 
Sie beurteilen natürlich streng nach den Kirchengesetzen. Und diese Gesetze sind bindend, daran muss sich ein gläubiger Katholik halten, jedenfalls so lange das Böse, also der Teufel, ihn nicht zu schlimmen Taten verführt. Aber das ist verzeihlich, denn wer kann sich schon gegen eine so mächtige Gestalt wie den Teufel wehren! Verziehen wird anschliessend durch das so genannte Bussinstrument, die „heilige“ Beichte.
 
Diese Beichte ist so etwas wie ein von der heiligen Kirche vorgeschriebenes Geständnis vor einem Manager (meistens ein Abteilungsleiter) der Kirche, dass man sich schuldig gemacht hat, und ein Eingriff in die Privatsphäre. Das bedeutet, dass man „böse“ gewesen ist und „schlimm“ gesündigt hat, z. B. wenn man als verheirateter Mann an Sex mit der Freundin seiner Frau gedacht hat. Es heisst nämlich „in Gedanken, Worten und Werken…“ mache man sich schuldig. Überhaupt, nach deren Codex kann man gar nicht leben, ohne sich schuldig zu machen. Es wird bloss unterschieden zwischen „lässlichen“ und „schweren“ Sünden. Vorschlag für ein Sündenbekenntnisvorschlag für Kinder: „Ich habe gelogen, ich habe gestohlen, ich habe die Kuh am Schwanz gezogen!“ Eine schwere Sünde ist es, wenn man sonntags nicht in die Kirche rennt, weil man keine Lust hat, sich das Gesülze des Kirchenmanagers der unteren Charge anzuhören, oder sich verführen lässt, ohne verheiratet zu sein. Das Verteilen von Kondomen in Aids-verseuchten Gebieten ist ebenfalls solch eine schwere Sünde; dafür werden Nonnen auch schon mal aus ihrem Orden gejagt und in die Armut entlassen. Wer nicht mindestens halbjährlich ein Geständnis in der Kirche ablegt, also sich nicht abhören lässt, sündigt übrigens auch.
 
In der Beichte wird man „von allen Sünden freigesprochen“ und darf dann weiter sündigen.
 
Einverstanden, wenn man einmal heilig gesprochen worden ist, ist das alles kein Thema mehr. Dann wird ja durch eine Art Urkunde bescheinigt, ein heiliges Leben geführt zu haben. Man ist fein raus und gerät nicht so schnell in Vergessenheit.
 
Alle Verwandten können stolz sein und sagen, dass sie einen von Gott Auserwählten in der Familie hatten, also ebenfalls heilige Gene in sich tragen. Wenn das kein tolles, erhebendes Gefühl ist! Mit Ausnahme des Umstands, man habe vorher sein eigenes Erbe der heiligen katholischen Kirche vermacht, denn dann sind die Verwandten höchstwahrscheinlich ziemlich sauer auf einen.
 
Der Kirche war es übrigens schon immer ziemlich egal, was man für ein Leben jemand geführt hat. Wenn sie für eine Sündenfreisprechung den möglichst grossen Grundbesitz überschrieben erhielt, kam es auf ein gottgefälliges Leben nicht mehr an, dann war alles vergessen und vergeben, egal, was man in seinem Leben angestellt hat.
 
Jetzt will ich aber nicht behaupten, dass die Selig- und Heiligsprechung etwas mit dem schnöden Mammon zu tun habe. (Sicher bin ich mir dabei allerdings nicht, die Medien berichten von hohen Kosten, die diese erfordere!) Eher sehe ich darin eine Ähnlichkeit mit dem, was Staaten und Organisationen ebenfalls tun: Sie verleihen Orden, Ritterkreuze, Verdienstkreuze, Belobigungen usw. Damit zeigen diese Staaten und Organisationen, dass ein gefälliges Leben in deren Sinn wünschenswert ist, denn das wird belohnt. Und der Mensch strebt – das ist seine Natur – nach Anerkennung und Zuneigung.
 
Und ein Staat oder eine Organisation wie z. B. eine Glaubensgemeinschaft oder ein Schützenverein, der seine Bürger, Mitarbeiter, Anhänger oder jedenfalls diejenigen, die diese finanziell oder deren Ansehen weitergebracht haben, nicht belobigt, ihnen keinen Orden verpasst oder sie nicht heilig spricht, verliert sein Image und seinen guten Ruf. Es könnte ja dazu führen, dass sich die Mitglieder abwenden oder sich nicht mehr werben lassen.
 
Das Mittel zum Zweck ist dabei völlig egal. Es kann ein gestanztes Blech sein, aus dem der Orden gefertigt ist oder eben eine Selig- oder Heiligsprechung. Hauptsache, der Verleiher der Anerkennung steht gut da!
 
Natürlich ist Heiligkeit auch eine sinnliche Angelegenheit. Was sagte Benedikt XVI. bei der Seligsprechung des Papstes Johannes Paul, dem jetzt auch die Heiligsprechung folgt? „Schon an jenem Tag spürten wir den Duft seiner Heiligkeit ausströmen ...“
 
Wie Heiligkeit duften mag? Vermutlich ein wenig nach Weihrauch und Moder, bestimmt nicht nach Schwefel oder gar nach Kaffee!
 
Es soll Leute geben, die diese Intentionen im Nachhinein erkannt haben und den „edlen“ Spendern das Stück Blech wieder retourniert haben! Aber das wird dann in der Regel nicht publik gemacht. Ebenso wenig die Fälle, wo Leute, denen man eine Ordensverleihung angekündigt hat, diese nicht angenommen haben.
 
Bei der Heilig- und Seligsprechung dürfte übrigens eine Ablehnung schwierig sein, denn normalerweise sind die Empfänger bei der Verleihung schon tot. Im Grunde kann ihnen das ganze Spektakel oder Hokuspokus ziemlich egal sein, wenn einem Verblichenen solche Gefühle überhaupt möglich sein sollten ...
 
Wenn Sie jetzt schimpfen „ein heiliges Donnerwetter soll dreinschlagen“, mir „heilige Einfalt“ nachsagen und mich „einen wunderlichen Heiligen“, also einen Sonderling, nennen, so freue ich mich darüber, und das ist mein heiliger Ernst, Sie Einfaltspinsel! Ich setze mich jetzt in mein „heiliges Blechle“, „Himmiherrgotzsakramentzefixallelujaglumpfarregtz!“
 
 
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