Textatelier
BLOG vom: 13.06.2013

Vollkommene Salate: Stopfen Sie viele Blätter in den Mund

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Bei vielen Gelegenheiten sollte man kein Blatt vor den Mund nehmen. Möglichst viele Blätter gehören aber in den Mund. Viele Leute sind versessen auf erfrischende Salat, aus guten Gründen.
 
Am 08.06.2013 stellte ich im Blogatelier einen Rohköstler vor, der mit Genuss Gras verzehrt. Diesmal werde ich einmal darlegen, wie gesund Salate sind: Die grünen oder farbigen Blätter sind kalorienarm, basenüberschüssig, fördern den Appetit und die Verdauung. Ein genaueres Hinsehen lohnt sich.
 
Auf jeden Fall freuen wir uns immer wieder, wenn wir in einer Wirtschaft der Region einen gemischten Salat aus heimischem Anbau verzehren dürfen. Erst kürzlich waren wir in der „Sennhütte“ in Schwand bei Tegernau D und konnten uns an einer Salatkreation erfreuen. Der gemischte Salat mit 5 verschiedenen Zutaten – 2 verschiedene grüne Salate, Rettich-, Rüebli- und Weisskohlsalat – war mit einer feinen Salatsosse angemacht und mit einem Rucolablatt verziert. Nach dem genussvollen Verzehr hatten wir Appetit auf das Hauptgericht.
 
Ein Narr, der alles zusammenmischt
Im „Appetit-Lexikon“ von 1894 entdeckte ich Amüsantes über die klassische Salatzubereitung. Diese erfordere 5 Personen, nämlich einen Geduldigen, der die Kräuter verliest, einen Verschwender, der das Öl spendet, einen Geizigen, der Essig in geringe Mengen hinzufügt, einen Weisen, der das Salz abwägt und einen Narren, der alles durcheinander mischt. Heute brauchen wir nur eine Person, die 5 Personen vereint. Die Mengen der Zutaten müssen mit Bedacht gewählt werden. Aber wehe, wenn dabei die Essigflasche dem Bereiter ausrutscht und die Säure sich in die Salatsosse ergiesst! In manchen Wirtschaften habe ich schon zu saure Salate erwischt. Manche Kochkünstler retten eine solche Mischung durch Verdünnung oder mit Zugaben von Sahne oder Joghurt.
 
In dem erwähnten Lexikon wird noch eine 6. Person genannt, die einen versalzenen oder versauerten Salat serviert bekommt: Es ist ein „Hungerkranker“.
 
Wie sieht der vollkommene Salat aus? Auch hier gibt das Lexikon Auskunft: „Der gerechte und vollkommene Salat soll und muss die Zunge kitzeln, ohne zu brennen, den Gaumen erfrischen, ohne zu kratzen, und den Magen anregen, ohne zu überreizen.“ Unser Salat, den wir verzehrten, erfüllte alle diese Eigenschaften.
 
Wie gesund ist Salat? Welche Wirkstoffe sind enthalten? In einem „Natürlich“-Artikel (Nr. 7/8-1989) beantwortete ich solche Fragen. Etliche Auszüge, die heute noch aktuell sind, gebe ich in diesem Blog wieder.
 
Grösste Salatfans
Die grössten Salatfans des Altertums waren die Perser, Griechen und Römer. Sie waren der Meinung, Kopfsalat (Gartenlattich) kräftige den Magen. Ein starker Magen sollte die üblichen Ausschweifungen im Essen und Trinken besser überstehen helfen.
 
Auch die Ernährungsforscher McCollum, Ragnar Berg, Werner Kollath und Max Bircher-Benner waren Rohkost- und Salatfans. Bircher sagte einmal etwas sehr Wichtiges über die Urform der menschlichen Ernährung, die Rohkost: „In lebensfrischer Pflanzennahrung liegt eine mächtige einzigartige Heilkraft, die den Zellen des menschlichen Körpers ihr Selbstbestimmung zurückgibt und ihre Selbstheilkraft wiederherstellt, so dass sie die Ungesundheit im Organismus von innen überwinden können und auch die Krankheit, soweit dies noch möglich ist.“
 
Willy Weitzel, der 1939 das Buch „Deutsches Obst und Gemüse in der Ernährung und Heilkunde“ verfasste, war ein Liebhaber von Salat. Schwarz auf weiss liess er verlauten: „Es stellt sich nach reichlichem Genuss der grünen, zarten Sprossen des Frühlings bald das Gefühl der Frische, der Kraft und des Wohlbefindens ein. Grüne Salate sollten daher täglich auf den Tisch kommen.“ Wie er weiter bemerkte, macht Salat nach alter Volkserfahrung die Haut zart und rein.
 
Das Salatangebot ist zu jeder Jahreszeit immens: Die knackigen Chinakohl- und Eisbergsalate, der herzhafte Romanasalat, der bittere Chicorée und die Endivie (die krause Form heisst Frisée), der schmackhafte Feldsalat (Nüsslisalat), der zarte Kopfsalat und die vielen Wildsalate (z. B. der Löwenzahnsalat), von dem die Wurzel besonders heilwirksam ist.
 
Was ein Salatgegner sagte
Es gibt auch Salatgegner. So schrieb vor etlichen Jahren ein Autor, Salat enthalte fast nur Wasser und kaum Nähr- und Wirkstoffe. Dafür enthalte er Schadstoffe und besonders viel Nitrat. Er riet vom Verzehr ab und lies verlauten, Salat sei für den Menschen so nützlich wie Gras (obwohl auch der Grasverzehr seine Vorteile hat, wie im Blog vom 08.06.2013 „Recherchen 6: Warum essen wir Salate, aber kein Gras?“ dargestellt). Ich bin der Auffassung, dass dieser „Fachmann“ nichts über die wichtigen Inhaltsstoffe und deren Wirkungen weiss, aber auch nichts über die Möglichkeiten, Schadstoffbelastungen zu reduzieren.
 
Die Nitratproblematik ist in der Tat nicht zu unterschätzen. Durch entsprechende Wahl des Salats kann man das Risiko allerdings gering halten. Den geringsten Nitratgehalt besitzen die Salate aus biologischem Anbau. Im Treibhaus gezogene Salate haben 3 Mal mehr Nitrat als der biologisch erzeugte. Nitrate sind relativ harmlos. Erst die Umwandlungsprodukte Nitrite und Nitrosamine können eine schädliche Wirkung entfalten.
 
Salat hat nicht nur Wasser zu bieten
Salat liefert nicht nur eine gehörige Portion Wasser (bis 95 %), sondern auch zahlreiche Mineralstoffe, Vitamine und Ballaststoffe (besser: Faserstoffe). Sämtliche Salate besitzen einen beachtlichen Kalium-, Eisen- und Vitamin-C-Gehalt. Sie eignen sich gut zur Aufwertung einer Mangelkost. Da alle Salate kalorienarm sind, eignen sie sich gut für die Reduktionskost. Übergewichtigen, die abnehmen wollen, sind Salate und Gemüse sehr ans Herz zu legen. Die Salate besitzen nämlich 4 Pluspunkte: Die Salate schmecken gut, sind kalorienarm (11‒15 kcal/100 g), sättigen und liefern einen grossen Teil der täglich benötigten Menge an Vitaminen und Mineralstoffen.
 
In jedem Salatblatt sind jedoch noch eine ganze Menge anderer Stoffe enthalten, wie Pflanzenfarbstoffe (Chlorophylle, Karotinoide), Enzyme, hochwertige Eiweissverbindungen, Bitterstoffe, Zitronensäure.
 
Betrachten wir einmal den Gehalt an Vitamin C (mg/100g):
Chicorée   10 mg
Endivie       9 mg
Feldsalat    35 mg
Kopfsalat   13 mg
 
Gehalt an Kalium (mg/100 g)
Chicorée    190 mg
Endivie      345 mg
Feldsalat    420 mg
Kopfsalat   225 mg
 
Chicorée regt die Leber an
Die Wegwarte oder Zichorie war im Altertum eine beliebte Heilpflanze. Heute wird sie nur noch selten genutzt. Früher wurde sie bei Augenkrankheiten, Vergiftungen und Störungen des Gallenflusses genommen. Sebastian Kneipp empfahl die Wegwarte bei Magenkatarrh, Verdauungsschwäche, Leberstörungen, Gelbsucht. Nach Carl von Noorden hat die Pflanze eine nicht zu unterschätzende harntreibende Wirkung.
 
Wegen des beträchtlichen Inulingehalts der Wurzel baute man eine bestimmte Kultursorte in Notzeiten feldmässig an. Die gerösteten Wurzeln lieferten ein Kaffeesurrogat (Zichorienkaffee). Das Inulin, ein Kohlenhydrat und Reservestoff, ist aus Fruchtzuckereinheiten aufgebaut, es kommt beispielsweise auch in der Topinamburknolle vor.
 
Die etwas bitteren, als Chicorée oder Bleichzichorie bekannten Kultursorten werden heute als Salat- und Gemüsepflanze verzehrt. Nahe verwandt ist übrigens die Endivie.
 
Chicorée fördert den Appetit und wirkt anregend auf Leber, Galle und Niere. Der Salat kann Leber-, Rheuma-, Gicht- und Ödem-Kranken empfohlen werden.
 
Endivie und Feldsalat
Endivie besitzt den zweithöchsten Kalium- und Eisengehalt aller grünen Salate. Der in der Endivie vorhandene Bitterstoff lässt die Galle und den Harn fliessen.
 
Der Feldsalat, auch Ackersalat, Rapunzel, Nüsslisalat, Schafmäulchen und Wintersalat genannt, liefert uns von November bis Ende März eine erhebliche Menge Kalium und Vitamin C. Feldsalat ist Spitzenreiter punkto Vitamin C, Eisen und Kalium.
 
Kopfsalat, ein Schlafförderer?
Der Kopfsalat (Gartenlattich) mit seinen zarten, grünen Blättern ist wohl der beliebteste grüne Salat. Der Lattich stand früher im Rufe, den Schlaf zu fördern.
 
Der griechische Arzt Galenus schrieb dazu das Folgende: „Als ich alt zu werden begann und das richtige Mass schlafend verbringen wollte, war ich, teils durch Gewohnheit, des Nachts zu wachen, teils, weil im Alter der Schlaf oft selbst fehlt, nur dadurch im Stande, mir den wohltätigen Schlaf zu verschaffen, dass ich des Abends eine Portion Lattichsalat verzehrte.“ Auch Tacitus hatte probate „Schlafmittel“: Massvolles Essen und Trinken, Genuss einer grossen Portion Salat.
 
Diese alten Berichte riefen bzw. rufen auch heute noch ungläubiges Erstaunen hervor. Salat als Schlafförderer? Kaum zu glauben. Die moderne Analytik brachte Bestätigung: Bis heute wurden im milchigen Saft des Kopfsalats einige Bitterstoffe (Lactucin, Lactucopicrin) entdeckt, die eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung entfalten.
 
Der Gehalt an diesen Bitterstoffen ist im Kopfsalat und auch in anderen Salaten gering. Wesentlich grössere Mengen finden wir beim nahen Verwandten, dem Giftlattich (Lactuca virosa). Bis zum 19. Jahrhundert wurde der eingedickte Milchsaft von Blättern und Stängeln des Giftlattichs als Beruhigungs- und Schlafmittel und Hustenmittel gebraucht. Er musste als Opiumersatz herhalten.
 
In manchen homöopathischen Lehrbüchern finden wir noch Angaben über den Giftlattich. Verwendet wird eine Essenz aus der frischen, zur Blütezeit gesammelten Pflanze. Das Mittel wird in Potenzen D2 und D3 bei Heiserkeit, Reizhusten, Kehlkopf- und Rachenschleimhautentzündung verordnet.
 
Nun wissen wir, warum das Salatessen gesund ist und wir nicht unbedingt Gras konsumieren müssen. Das Grasfressen überlassen wir getrost den Wiederkäuern.
 
 
Literatur
Fellenberg-Ziegler A. v.: „Homöopathische Arzneimittellehre“, Karl F. Haug Verlag, Heidelberg 1975.
Habs, Robert; Rosner, Leopold (Herausgeber): „Appetit-Lexikon“, Oase Verlag, Badenweiler 1997 (Nachdruck des Lexikons, das in Wien 1894 erstmals erschienen ist).
Hofmann, Barbara: „Auf eigenem Kompost gewachsen“ (Wie man Salat anbaut), „Natürlich“ Nr. 7/8-1989.
Scholz, Heinz: „Salatesser schlafen gut“, „Natürlich“ Nr. 7/8-1989.
 
 
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