Textatelier
BLOG vom: 15.03.2013

Der Chef der Hauspost und der bellende „grüne Hund“

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Zeitig steht Julien jeden Morgen auf, bevor der Wecker rasselt. Rechtzeitig besteigt er im Bahnhof in der nahen Hauptstadt den Frühzug zur Arbeit. Und das schon seit 30 Jahren. Seine Frau hat ihm eine Stulle mit Butteraufstrich und Edamer Käse mit auf den Weg gegeben. Beim Kiosk kauft er seine Zeitung „Het Volk“. Der Zug fährt an. Julien vertieft sich in die Lektüre und isst langsam seine Stulle.
 
Vom „Gare du Nord“ erreicht er das Bürohochhaus, lokal als „Grüner Hund“ bekannt, um genau 7:45 Uhr. Er faltet seine Kappe und steckt sie in die Tasche, ehe er den Portier begrüsst. „Ihr Gehilfe hat die Postsäcke bereits hoch gebracht“, meldet dieser Julien. Jeden Tag wiederholt der Portier dieselbe Formel. Nie nennt er diesen Gehilfen einfach Jan. Damit anerkennt er Julien als Chef. Im Postraum hat Jan bereits die Tagespost auf dem langen Holztisch ausgebreitet. Julien duzt Jan, aber Jan spricht seinen Chef ehrerbietig mit „Meneer“ an.
 
Zügig wird die Post sortiert und in die Ablagefächer gesteckt. Jan ist und bleibt Juliens Lehrling und ist angehalten, Post, die möglicherweise im falschen Fach enden könnte, für den Chef auf die Seite zu legen. Keinesfalls darf ein Brief ins falsche Fach kommen! Das Personal im Hauptsitz hat Wichtigeres zu tun als verirrter Post nachzuspringen. Nachdem alles tadellos sortiert ist, liefert Jan jeweils die Post in den Abteilungen der unteren Etagen ab. Julien bleiben die obersten Etagen der Direktion vorbehalten.
 
Seitdem viel allgemeine Post elektronisch eintrifft, sind die Postsäcke leichter geworden, doch der Frühdienst wurde deswegen nicht um eine halbe Stunde verschoben. Hätte Julien Sinn für die Internet-Technologie gehabt, wäre er in die 2. Kaderstufe aufgestiegen. Früh in seinem Leben musste Julien einsehen, dass er für die Technik nicht taugte. Er wollte weder ein Auto fahren noch einen mit einem Motor betriebenen Rasenmäher benutzen. Zappelig, wie er war, hielten seine Nerven solchen Anforderungen nicht stand. Sogar die Schreibmaschine verbannte er aus seinem Dasein. Julien schrieb alles von Hand und behauptet, dass er damit viel rascher vorankomme als mit den Tasten. Es hat kein Fernseher in seinem Haus. Das Radio genügt ihm. Und jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, ärgert er sich. Seine grösste Gabe war ein ausgeprägtes Zeitempfinden. Er brauchte dazu keine Armbanduhr.
 
Jetzt, mit 57 Jahren, sind Querfalten durch Juliens Stirn gezogen. Auch um den Mund sind tiefe Furchen entstanden, eine Rundglatze hat sich zünftig ausgebreitet. Was sich an Haar erhalten hat, ist ergraut. Nur seine Brauen sind buschig geworden, und Haar entspriesst seinen Ohren. Mit der Nagelschere stutzt seine Frau regelmässig das wuchernde Haar.
 
Brüssel ist eine 2-sprachige Stadt. Betritt er ein Geschäft, herrscht er die Verkäuferin vernehmlich laut mit der Frage an: „Sprekt je flams?“ Auch auf die französisch geschriebenen Speisekarten hat er es abgesehen. Nun seien ihm diese Eigenarten verziehen. Julien kann auch leicht rührselig werden, besonders am Sonntagabend, wenn im Wunschkonzert Walzer oder ein Tango erklingen.
*
Aber wir sind noch nicht ganz mit der Tagespost fertig. Neben dem Eingangsportal ist ein Briefkasten angebracht, worauf „Der grüne Hund“ im Kleinformat steht. Der Briefträger stopft dort um 11 Uhr Briefe in den Kasten, die Jan seinem Chef bringt mit dem Hinweis: „Der grüne Hund ist gekommen.“
 
Der Hund seiner Nachbarn hatte ihm nachtsüber mit seinem Gekläff, wie sooft zuvor, die Nachtruhe gestört. Es war ein struppiger Hund. „Wir brauchen einen Hund, der bellt“, wimmelten die Nachbarn Juliens mit Ingrimm geäusserte Bitte ab, dem Hund die Schnauze zu stopfen.
 
Entgegen seiner Art lachte Julien plötzlich hellauf. Der „Grüne Hund“ hatte ihn auf einen tollen Einfall gebracht. Sein Coiffeur besorgte ihm ein grünes Haarfärbemittel. „Doch nicht für Sie?“ spasste der Coiffeur. „Nein, ich will damit bloss jemandem eine Freude bereiten“, antworte Julien. Während der nächsten Tage fütterte er den Hund heimlich auf seiner Seite des Gartens, nachdem er einige Latten für dessen Durchschlupf gelockert hatte. Obendrein liess sich der Hund von ihm kraulen und zuletzt sogar in die Arme nehmen.
 
Es war ein warmer Tag, und die Nachbarn schickten sich zur Ausfahrt an. Hinter dem Schuppen füllte Julien einen Zuber mit lauwarmen Wasser und goss das Haarfärbemittel hinzu. Es gelang ihm, den Hund in den Zuber zu tunken. Sein struppig-braunes Fell war knallgrün geworden. Zum Lohn bekam er eine Extraportion Hundefutter. Julien tilgte alle Grünspuren aus dem Zuber und trieb den Hund auf die andere Seite des Gartenhags. Flugs waren die lockeren Latten vernagelt. Niemand konnte ihm etwas nachweisen. Nicht einmal seine Frau wusste, was er angerichtet hatte.
 
Erst spät abends kehrten die Nachbarn heim. Und in der Nacht ist auch ein grüner Hund schwarz. „Du hättest den Radau von nebenan hören müssen“, begrüsste in seine Frau nach seiner Rückkehr von der Arbeit. Sie konnte sich vor Lachen kaum halten: „Der Hund hat ein grünes Fell erhalten … niemand weiss, wie es dazu kam!“
 
„Das ist schier nicht zu glauben“, packte Julien seinerseits der Lachkrampf. Seither muss Julien immer lachen, wenn er den Hund nebenan bellen hört.
 
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