Textatelier
BLOG vom: 09.03.2005

Von Werbung übersättigt – in England und anderswo

Autor: Emil Baschnonga, London

Genau gleich wie die Applaudierkulissen (siehe Blog vom 8. Februar 2005) geht mir die Werbung im Fernsehen mehr und mehr auf die Nerven. Sie dehnt sich zeitfressend aus, besonders übers Wochenende, und wiederholt sich fortwährend. Das schreibe ich weitgehend dem Einfluss der Amerikaner zu. Dort konnte man sich schon vor 20 Jahren kein Programm mehr anschauen, das nicht grösstenteils von Werbeeinschüben aufgefressen wurde.

Nichts gegen kurze Unterbrüche zwischenhinein: Der Zuschauer kann einen Kaffee brauen, die Toilette aufsuchen oder eine der berüchtigten Fertigmahlzeiten im Mikroofen aufwärmen.

Ich selbst bin eher „fernsehscheu“. Selten genug kommt ein guter Film in den Kasten, in dem es nicht immer knallt und Mord und Totschlag gang und gäbe sind. Auch den Sex der Leinwandhelden finde ich stinklangweilig. Ein guter Film ja – und gute Reportagen und Naturprogramme geniesse ich auch.

Von den Nachrichten wird mir meistens übel: Zuviel Elend und Gräuel kommen ins Bild. Kein Wunder, dass die Leute abgestumpft sind und sie solche Schreckensbilder kaum mehr wahrnehmen. Anders hingegen der Nachwuchs: Mitleid ist für viele junge Menschen kein Begriff mehr. Das Gejammer wird zum Vorbild und schürt zu Gewalttaten und Flegeleien aller Art. Man liest darüber tagtäglich in der Zeitung.

Zurück zur Werbung: Einige Beispiele mögen genügen, um meine wachsende Abneigung zu verdeutlichen:

Die Programme werden alle Viertelstunden durch Werbeeinschübe unterbrochen: Jeweils gleich 7 auf einen Schlag: Automarken, Banken, Versicherungen, Fluggesellschaften, Büchsenbier, Haarpflege und Fressalien überwiegen. Die meisten Zuschauer haben Netzhäute so stark und geduldig wie Trommelfelle. Die gleichen Einschübe erscheinen immer wieder wie ein Kehrreim. „In den Kehricht damit“, sage ich mir verärgert und schalte das Gerät aus.

Dieser kostspielige Werbe-Firlefanz bezahlt natürlich der Konsument. Preisabstriche würden mich ungleich mehr beeindrucken! Nach Abzug der Kosten der Werbeagenturen und der von Fernsehgesellschaften geforderten Mordstarifen sollten eigentlich die Produkte nur noch die Hälfte kosten . . . Gut, ich träume über die Realität hinweg. Wir leben ja im Zeitalter des Abzockens, wo die geblähten Honorare und Gratifikationen der Geschäftsmogule soviel wie die Werbebudgets verschlingen, indessen der Mindeststundenlohn hier in England lausige £ 5 beträgt − nächstes Jahr wird grosszügig auf £ 5.35 erhöht.

Genug der Schwarzmalerei. Mir scheint, dass in England die TV Spots mitunter noch einen Nachhauch des typisch britischen Humors aufflimmern lassen. Sehe ich einige dieser Beispiele zum ersten Mal, kann ich manchmal auf den Stockzähnen grinsen, doch nach dem 10. Mal knirsche ich mit ihnen. Ein gewiegter IT-Spezialist sollte sich etwas einfallen lassen, um auf meinen eigenen Wunsch (fern liegt es mir, den Plausch anderer Leute zu schmälern) die Werbung auf Knopfdruck aus dem Programm zu säubern − nach dem Staubsauger-Prinzip.

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