Textatelier
BLOG vom: 11.05.2012

Einer trage des anderen Last (1): Todesfall und Gesetze

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Das ist der Name einer Versicherung in den Niederlanden, die sich um alles kümmert, was beim Tod eines Menschen zu tun ist; es handelt sich also um eine Sterbefallversicherung, bei der kein Geld ausgezahlt wird: Die Abkürzung lautet DELA „Draagt Elkanders Lasten“, eine Versicherung auf Gegenseitigkeit. Das Versicherungsunternehmen mit rund 3,2 Millionen Versicherten begeht in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen und bekommt auch vom „Consumentenbond“ eine gute Note.
 
Wie unterschiedlich die Regelungen bei einem Sterbefall in den verschiedenen Ländern sein können, habe ich schon in meinem Blog „Leben und Tod im Hinduismus“ an Beobachtungen in Indien dargestellt. Nicht nur in Ländern, in denen es wenig verbreitete Religionsgemeinschaften gibt, sondern auch im überwiegend christlichen Europa sind die Regelungen, die auf Gesetze beruhen, von Land zu Land sehr unterschiedlich.
 
Das Bestattungsgesetz ist in Deutschland über die einzelnen Bundesländer geregelt. Alle Bundesländer haben eigene, meist ähnliche Bestattungsgesetze. Die Gesetze regeln in erster Linie Fragen zu den Themen wie Friedhofwesen, Bestattungen, Leichenwesen und Ordnungswidrigkeiten. Allgemeine Pflichten wie die Bestattungspflicht sind in Deutschland allgemeingültig. Die Bestattungspflicht besteht bereits seit dem Mittelalter und besagt, dass jeder Verstorbene ordnungsgemäss und innerhalb von zeitlichen Fristen bestattet werden muss.
 
Viele Menschen verwenden das Wort Beerdigung, wenn sie von einer Bestattung oder Beisetzung sprechen. Genau genommen bezeichnet der Begriff Beerdigung jedoch eine Beisetzung in der Erde. Dies kann sowohl eine Beisetzung im Sarg als auch in einer Urne sein. Ausschlaggebend ist lediglich, dass der Verstorbene oder dessen Asche unter der Erde beigesetzt wird. Oberirdische Urnenbestattungen wie etwa in einer Röse (Steinhügelgrab) oder einer Urnenstele oder Seebestattungen werden hingegen nicht unter dem Begriff Beerdigung eingeordnet, sondern sind Beisetzungen. Viele deutsche Bestatter bieten zunehmend die Organisation von Bestattungsarten an, die in den Nachbarländern durchgeführt werden können. So werden Diamantbestattungen oder Naturbestattungen, wie etwa die Felsbestattung oder die Almwiesenbestattung, häufig in der Schweiz angeboten. Luftbestattungen können beispielsweise in Frankreich durchgeführt werden. Eine Weltraumbestattung ist in den USA oder in Russland möglich.
 
Aber: „In Deutschland unterliegen Totenaschen dem gesetzlichen Friedhofszwang. Die Restsubstanzen werden daher von den Krematorien keineswegs an die Angehörigen ausgehändigt. Diese Regelung ist rational nicht zu begründen und zudem oft inhuman“, schreibt die Website www.postmortal.de. Und auf der Website wird auch beschrieben, wie man dieses Gesetz unterlaufen kann, z. B. über ein Krematorium in den Niederlanden oder die „Oase der Ewigkeit“ in der Schweiz.
 
Die Schritte nach dem Tod
Im Magazin von DELA (in der Ausgabe „Frühjahr“) ist der Ablauf nach dem Tod eines/einer Angehörigen in verschiedenen Schritten übersichtlich dargestellt:
 
Schritt 1: „Legen Sie Ihre persönlichen Bestattungswünsche fest.“
Schritt 2: „Jemand, den oder die sie lieben, stirbt. Es beginnt eine Periode, in der viel geregelt werden muss.“
Schritt 3: „Rufen Sie DELA an.“
Schritt 4: „Wenn Sie es wünschen, können wir den Angehörigen/die Angehörige auch zu Hause aufbahren. Sie können für eine leichte Einbalsamierung wählen. Dadurch sieht es so aus, also ob der oder die Verstorbene schläft. Das sorgt für schöne Erinnerungen.“
Schritt 5: „Ihre Wünsche werden mit dem DELA-Mitarbeiter besprochen.“
Schritt 6: „Der Abschied kann in einer unserer farbenfrohen Krematorien oder Bestattungszentren stattfinden, in der wir einen Raum für zur Erinnerung herrichten.“
Schritt 7: „Nach dem Abschied werden sich durch einen DELA-Mitarbeiter kontaktiert.“
Schritt 8 „Sie können die Asche des/der Verstorbenen ausstreuen oder in einem Urnengrab oder einer -galerie beisetzen lassen.“
Schritt 8 ist wichtig: „Sie können die Asche ausstreuen. Sie können sie aber auch mit nach Hause nehmen und selbst bestimmen, was damit passiert. Das ist Ihre private Entscheidung.“
 
Deutschland und die Hygiene ...
In Deutschland hingegen verstossen Sie gegen ein Gesetz, wenn Sie das tun. Eine Begründung ist „die Hygiene“, als ob es unhygienisch sei, Totenasche dort aufzubewahren, wo man das wünscht ... Vielen Menschen in Deutschland ist der Gedanke daran, dass man z. B. die Urne mit der Asche eines/einer Angehörigen eine Zeitlang zu Hause aufbewahrt, bevor man sie z. B. an einem zu Lebzeiten des/der Angehörigen beliebten Urlaubsort im Meer oder auf einem Berg ausstreut, sehr ungewohnt.
 
Mit dem deutschen Gesetz wird den Bestattungsunternehmen ein Privileg eingeräumt, nämlich uneingeschränkt Geld zu verdienen; denn an ihnen kommt man im Todesfall nicht vorbei. Dass diese natürlich verdienen wollen, ist ihr gutes Recht. Ob dabei nicht selten auch der oft vorhandene Schock des Todesfalls eines oder einer Angehörigen hinsichtlich der „Wahl“ eines teuren Sarges und anderer „Zugaben“ ausgenutzt wird, ist eine häufig diskutierte Frage, die natürlich von der Seriosität des Unternehmens abhängt.
 
Den Kommunen, die die Friedhöfe verwalten, kommt dieses Gesetz auch sehr gelegen. Sie haben nämlich für deren Unterhaltung aufzukommen und bekommen mehr und mehr Probleme, weil immer häufiger Urnenbestattungen oder anonymes Ausstreuen der Asche gewünscht werden als Beerdigungen und damit der Kauf einer Grabstätte.
 
Andere Länder, andere Sitten
Übrigens: auch die Trauerkleidung ist von Land zu Land unterschiedlich. Während in Deutschland bei Männern der schwarze Anzug üblich ist, gibt es eine spezielle Kleidung in den Niederlanden nicht. Auch in Indien habe ich das nicht gesehen.
 
So ist der Umgang mit dem Tod in der ganzen Welt überall anders. Die Bestattung in Indien im Ganges ist vielen in Verbindung mit dem Ort Varanasi ein Begriff, wo die Leichen der Männer in weisse, die der Frauen in farbige Tücher gewickelt auf den Holzstapel gelegt und verbrannt werden.
 
Wenn die Seele den Körper verlassen hat, tragen die männlichen Verwandten den Leichnam auf Bahren durch die engen Gassen zum Fluss. Der älteste Sohn des Verstorbenen hat sich das Haar scheren lassen und ist in ein sauberes weisses Tuch gekleidet. Der Leichnam wird auf den Scheiterhaufen gelegt, einige Sandelholzspäne darauf geworfen; dann zündet der Sohn das Holz an. Überall auf den Ghats, z. B. auch am Manikarnika Ghat, hört man das gesungene Gebet „Ram nam satya hain. Gottes Name ist Wahrheit".
*
„Einer trage des anderen Last.“ Ich werde diesen Titel in einem weiteren Blog noch einmal einsetzen. Dort soll der „Generationenvertrag“ behandelt werden. Darum geht es in den obigen Ausführungen natürlich auch, schliesslich ist es in den meisten Fällen die nachfolgende Generation, die diese Pflichten zu übernehmen hat. Es gibt aber auch einen Generationenvertrag zwischen Lebenden.
 
 
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