Textatelier
BLOG vom: 29.12.2010

Mohnkuchen: Keine Angst vor Rauschzustand durch Opiate

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Pass ja auf, dass Du nicht berauscht wirst“. Dies hörte ich kürzlich von einer Bekannten, als sie erfuhr, dass ich einen Mohnkuchen backen würde. Sie war der Ansicht, im Mohn seien Opiate vorhanden, die dann beim genussreichen Verzehr abgeschwächte Rauschzustände hervorrufen würden. Stimmt diese Behauptung? Nun, ich informierte mich und werde die Fakten in diesem Blog darlegen.
 
Schlafmohn oder Blau-Mohn (Papaver somniferum L.), der für Backwaren und Süsswaren verwendet wird, ist eine alte Kulturpflanze und kann geringe Mengen an Opiaten enthalten.
 
Der Mohn wurde früher und wird auch heute besonders in Österreich, Böhmen und Mähren (Böhmen und Mähren gehören jetzt zu Tschechien) angebaut. Während unserer Tschechienreise 2008 fuhren wir auch an grossen Mohnfeldern vorbei.
 
Der Opiatgehalt in Mohnsaat wurde in den letzten Jahren vernachlässigt und wohl nicht so beachtet. Erst als Vergiftungserscheinungen auftraten, wurde man hellhörig.
 
Vergiftungen mit Mohnsaat
Eine Mutter aus Bayern bereitete Anfang 2005 für ihren 6 Wochen alten Säugling einen Schlaftrunk aus Milch und Mohn zu. Das Baby bekam dann Atem- und Bewusstseinsstörungen, wurde in die Klinik eingeliefert und auf Verdacht einer Opiat-Vergiftung behandelt.
 
Mitte 2005 wurde eine Vergiftung in Baden-Württemberg bei einer Frau, die grosse Mengen Mohnsaat mit Zucker vermischt zu einem Nudelgericht verzehrt hatte, beobachtet. Sie klagte nach dem Mahl über Übelkeit und Bewusstseinsstörungen. Die Mohnsaat war, wie Untersuchungen in beiden Fällen ergaben, mit erheblichen Morphinmengen kontaminiert.
 
Mohnsaat enthält sonst nur geringe Mengen der Opiatalkaloide mit Morphin als Hauptalkaloid. Es kommen aber auch Codein und in Spuren Thebain, Noscapin und Papaverin vor.
 
Hohe Gehalte liegen vor, wenn der falsche Erntezeitpunkt gewählt wird. Ist dies der Fall, sind die Samenkapseln noch unreif (im Milchsaft der unreifen Kapseln befinden sich grössere Mengen an Opiate).  Bei einer unzureichenden Reinigung der Mohnsaat können Teile der Kapsel sich im Verkaufsprodukt befinden. Auch spielt die Sortencharakteristik und das Potenzial der angebauten Mohnpflanzen zur Opiatbildung eine Rolle.
 
In Deutschland sind übrigens nur 2 Sorten („Zeno morphex“, „Mieszko“) mit einem sehr niedrigen Morphingehalt zugelassen.
 
Mahlen und erhitzen verringern den Gehalt
Wie die Gesellschaft deutscher Chemiker (GDCh) in der „Aktuellen Wochenschau“ berichtet, gehen erhebliche Morphinmengen bei der küchentechnischen Lebensmittelverarbeitung verloren. Hier das Ergebnis der Modellexperimente im Technikermassstab (Reduzierung der Morphinmenge in Prozenten):
 
Waschen der Mohnsaat mit heissem Wasser (2 Minuten): 73 ± 13 %
Mahlen mit der Labormühle: 34 ± 5  %
Mahlen mit einer Mohnmühle: 25 ± 15 %
Backen von Mohnkuchen (180 °C, 20 Minuten): 50–84 %
Backen von Mohnbrötchen (220 °C): 80–90 %.
 
Industriell hergestellte Backwaren mit Mohn wiesen bei Verwendung von Mohnpasten oder Mohnmischungen aus gemahlenem Mohn, Zucker und anderen Zutaten wie Semmelbrösel und Aromen nur noch Spuren von Opiatalkaloiden auf.
 
Die GDCh erklärte dazu dies: „In derartigen Pasten konnten bereits bei Untersuchungen 2006 nur Morphin und Codeingehalte im Bereich der Nachweisgrenze (0,3 mg/kg) festgestellt werden. In Mohnmischungen wurden bisher im Allgemeinen moderate Gehalte im Spurenbereich festgestellt.“ Seit kurzem gibt es auch Dampfmohn (wärmebehandelter gemahlener Mohn), der nur einen sehr geringen Gehalt an Opiaten enthält.
 
Zusammenfassend erklärten Constanze Sproll und Dirk W. Lachenmeier von der GDCh, dass die Opiatalkaloide in Mohnsaat in den letzten Jahren kontinuierlich sanken. Wer Backwaren mit Mohn verzehrt, „geht nach derzeitigem Stand kein Risiko einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ein, soweit diese aus industriell hergestellten Fertigerzeugnissen wie Mohnpaste hergestellt werden.
 
Unbehandelte Mohnsaat, die direkt an den Verbraucher  abgegeben wird, sollte weiterhin engmaschigen Kontrollen unterzogen werden, da hier die genaue Verwendung der Mohnsaat nicht absehbar ist (…) Mohnsaat gewaschen und erhitzt zu verzehren, ist zu empfehlen.“
 
Reichlich Linolsäure und Mineralstoffe
Der Mohnsamen weist eine beträchtliche Menge an Linolsäure (30,7 g/100 g) und Ballaststoffen (20,5 g/100 g) auf. Der Mineralstoffgehalt von 6,8 g je 100 g ist beachtlich. Bemerkenswert sind die Gehälter an Aminosäuren und an Kalium (705 mg/100 g), Magnesium (335 mg/100 g), Eisen (9,5 mg/100 g) und Zink (8,1 mg/100 g).
 
Früher bauten meine Eltern Mohn in ihrem Schrebergarten an. Wir Kinder waren dann immer ganz aufgeregt, wenn wir die Kapseln schütteln und dann öffnen durften. Wir kamen damals nicht darauf, die blauen Samen zu verzehren.
 
Die Mohnsamen wurden gesammelt, mit einer Kaffeemühle gemahlen und für diverse Blechkuchen oder für Mohnnudeln (Schupfnudeln) verwendet. Die Kuchen und die Nudeln schmeckten köstlich. Wir verspürten keinerlei Rauschzustände, sondern hatten nur angenehme Geschmackserlebnisse.
 
Und weil man ja gern Kindheitserinnerungen isst, war es für mich wieder einmal an der Zeit, den Mohn in Ehren zu halten und diverse Speisen zu bereiten.
 
Rezept für einen Wickelkuchen
Einen solchen Wickelkuchen, der bei uns Striezel genannt wird, sah ich schon ab und zu in heimischen Konditoreien. Als ich einem gemahlenen Mohn im Reformhaus begegnete, nahm ich die 200-g-Packung sofort mit und wollte mich an einen solchen Wickelkuchen machen. Das auf der Rückseite der Packung stehende Rezept variierte ich etwas. Meine Enkelin Melina, die auch gerne den Kuchenlöffel schwingt, half mir beim Mischen der Zutaten und dem Bestreichen des Wickelkuchens mit Eigelb.
 
Zutaten (Teig): 500 g Weizenvollkornmehl, 50 g Rohrzucker, 1 Prise Salz, 250 ml lauwarme Milch, 40 g Butter und 20 g Hefe.
 
Zutaten (Füllung): 250 ml Milch, 30 g Butter, 150 g Rohrzucker, ¼ TL Zimt, geriebene Schale einer halben Zitrone, 200 g neuform Mohn gemahlen, 100 g Sultaninen, 45 g Haferflocken, 1 EL Rum, 1 Eigelb zum Bestreichen.
 
Zubereitung: Die Hefe in lauwarmer Milch aufschlämmen, mit den Zutaten für den Teig vermischen. 1 Stunde aufgehen lassen.
 
Für die Füllung Milch, Butter, Rohrzucker, Zimt und Zitronenschale aufkochen, den gemahlenen Mohn und die Sultaninen einrühren und kurz mitdünsten. Zuletzt die Haferflocken und den Rum hinzufügen.
 
Der Teig wird in einer Grösse von ca. 35 × 45 cm ausgerollt und die noch warme Füllung darauf gleichmässig verteilt. Von der längeren Seite straff einrollen. Die Rolle mit Eigelb bestreichen, damit die Oberfläche beim Backen schön gelb wird.
 
Backzeit: Zirka 40 Minuten bei 180 °C im vorgeheizten Ofen.
 
Varianten: Nuss- oder Quarkfüllung anstelle von Mohn.
 
Rezept für Germknödel
Die Germknödel sind eine österreichische Spezialität. Im Handel gibt es auch tiefgekühlte Germknödel. Aber die selbst gemachten Knödel schmecken natürlich besser. Hier das Rezept aus der „Wiener Küche“:
 
Zutaten (Teig): 350 g Mehl, 1 Paket Trockengerm (Hefe), 2 Eier, 50 g Butter, 50 g Zucker, Salz, 3/8 Liter gewärmte Milch, Zwetschgenkonfitüre.
 
Zutaten (Servierung): Zwetschgenkonfitüre, Mohn oder Nüsse gemahlen, 10  g Butter, Zucker.
 
Zubereitung: Aus den Zutaten für den Teig einen weichen Hefeteig bereiten, 1 Stunde an einem warmen Ofen aufgehen lassen, 1,5 cm dick auswellen, in Quadrate schneiden, Konfitüre in die Mitte geben, gut verschliessen, vorsichtig Knödel formen und nochmals ½ Stunde gehen lassen.
 
Knödel in kochendes Salzwasser legen, 4 Minuten zugedeckt kochen, umdrehen, dabei mit einer Gabel einstechen und nochmals 4 Minuten nicht zugedeckt kochen.
 
Mit zerlassener Butter und geriebenem Mohn oder geriebenen Nüssen und Zucker servieren.
 
Der gute Appetit wird sich von selbst einstellen!
 
Internet
www.bfr.bund.de („BfR empfiehlt vorläufige maximale tägliche Aufnahmemenge und einen Richtwert für Morphin in Mohnsamen“)
www.chefkoch.de (viele Mohnkuchenrezepte)
 
Literatur
Rhum, Gisela Henrietta: „Alte österreichische Küche“, Area Verlag, Erftstadt 2004.
Souci, Fachmann,Kraut: „Lebensmitteltabelle für die Praxis“ wvg-Verlag, Stuttgart 2004.
Sproll, Constanze; Lachenmeier, Dirk, W.: „Morphin in Mohnsaat und Mohnkuchen – Ein Risiko für den Verbraucher?“, Die Aktuelle Wochenschau (s .Internet-Adresse).
Weiss, Rita: „Wiener Küche“, Eigenverlag, ohne Druckdatum.
 
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