Textatelier
BLOG vom: 13.09.2010

Von meinen Trauben, von den Tauben und ihrem Kot

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Walter Hess wurde „von tachistisch veranlagten Spatzen” behelligt, wie es amüsant in seinem Feuilleton vom 09.09.2010 geschildert ist. Mich stören die Tauben, ganz besonders die gefrässigen Waldtauben (Columba palambus). Schon mein Vater kam schlecht mit den Tauben aus: Ihr unablässiges Gurren ging ihm arg auf die Nerven.
 
In London sind die Spatzen rar geworden, nicht so die Tauben. Warum sind die Waldtauben nicht im Wald geblieben, wo sie hingehören, ganz tief im Wald, wo Fingerhut ist zu Haus’? Statt dessen suchen sie mich in meinem Garten in Wimbledon heim, jetzt, wie die Trauben der Gartenmauer entlang reifen. Einen Teil habe ich für die Vögel reserviert. Die Waldtauben haben diese Trauben ratzekahl gefressen. Die Singvögel kamen eindeutig zu kurz.
 
Und was hinterlassen mir die Waldtauben zum Dank? Tiefblauen Kot überall. Es gelingt ihnen sogar, meine Fensterscheiben damit zu versauen. Der Kot klebt auch auf dem Autodach. Er verkrustet und ätzt den Lack. So muss ich das Auto mehr waschen als mir lieb ist und erst noch hart reiben, um den Taubenkot loszuwerden.
 
Das Jahr beschert sie mit Beeren aller Art. Man erkennt die Jahreszeit an der Farbe ihres Kots, bald rot in allen Schattierungen, bald, wie eben jetzt, tintenblau. Damit kann man nicht einmal schreiben, sondern nur mit Seifenwasser schuften und schrubben.
 
Auch auf dem Rasen machen sich die Waldtauben als Allesfresser breit. Gehe ich über meinem moosigen Rasen, bleibt ihr Kot an meinen Schuhsohlen kleben. Lily lässt mich so nicht mehr ins Haus. Vor der Türe muss ich meine Schuhe reinigen. Das ärgert mich, wenn mich ein Schreibeinfall überfällt. Bis die Schuhe geputzt sind, ist der Einfall verflogen, doch nicht die Waldtauben.
 
Bin ich draussen, verscheuche ich sie, laut zischend und armschwingend. Sie fliegen auf die nächsten Äste oder aufs Dach und warten geduldig darauf, bis ich ihnen den Rücken kehre. Dabei lassen sie naturgemäss laufend Kot fallen. Dann landen sie wieder mit lauten Flügelschlägen genau dort, wo ich sie nicht haben will.
 
Die der Familie vorbehaltenen Trauben habe ich sorgfältig mit Netzen abgedeckt. Aber das schreckt die Tauben nicht ab. Jetzt haben sie es auf „meine Trauben“ abgesehen. Da sitzt schon wieder eine abwartend auf der Gartenmauer und beäugt mit ruckartigen Kopfbewegungen die Trauben. Nein, sie späht nach Lücken ober- und unterhalb der Rebstöcke. Manchmal ertappe ich sie, ehe sie ihre Wämse füllen können. Kaum kehre ich ihnen den Rücken, wiederholt sich das alte Spiel: Sie sind schon wieder auf der Lauer. Aber ich habe anderes in meinem Leben zu tun als eine Vogelscheuche zu sein.
 
Gestern trat ich ans Fenster. Eine Waldtaube hatte sich flügelschlagend in einer Lücke breit gemacht. Ich sprang in den Patio. Erschrocken wollte sie weg fliegen, doch verfing sich in einer Masche. „Da komme ich zu meinem Taubenbraten“, dachte ich. Doch sie entkam mir im allerletzten Augenblick. Also kein Taubenbraten. Ehe sich ein Tierliebhaber beschwert, gestehe ich, dass ich in meinem Leben keine einzige Taube gebraten, geschweige denn gegessen habe. Aus verlässlichen Quellen weiss ich, dass sie voller Kot sind.
 
Einst waren die Waldtauben scheu. Heute haben sie sich überall in Gärten eingenistet, mit Vorliebe in Wimbledon. Kein Salatkopf bleibt von ihrer Fresssucht verschont, es sei denn, man decke die Beete mit Maschendraht ab. Das sieht hässlich aus. Ich bin genötigt, den Salat beim Gemüsehändler zu kaufen.
 
Soll ich mich mit Pfeil und Bogen auf die Taubenjagd gehen? Das ist heute nicht mehr verboten. Selbst Fallenstellen ist erlaubt – und Gift ebenso. Hin und wieder erwischt der Fuchs eine. Aber soweit soll es bei mir nicht kommen. Die Tauben gucken blöd in die Welt; aber damit wollen sie uns täuschen. Wir Menschen sind und bleiben die Dummen.
 
Neuerdings baden die Waldtauben auch in der flachen Schale, die Lily immer wieder mit Wasser für die kleinen Vögel nachfüllt. Da kommt die Waldtaube angeflogen und verspritzt das Wasser in alle Richtungen. Lily füllt sofort die Schale wieder auf ... Aber da kommt schon die nächste Taube angewatschelt und will baden und dabei das Wasser verkoten. Nun muss ich mir etwas gegen die Tauben einfallen lassen. Nein, doch lieber nicht. Sie sind keinen Taubendreck mehr wert, nachdem ich meinen Ärger mit diesem Blog los geworden bin.
 
Hinweis auf ein weiteres Blog über Vogel-Untermieter
 
Hinweis auf weitere Feuilletons von Emil Baschnonga
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst