Textatelier
BLOG vom: 30.04.2010

Rund um den Mauensee: Feudalismus und Sicherheitsbedarf

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein/AG CH (Textatelier.com)
 
Auf der Fahrt von Sursee gegen Willisau sieht man das Südufer des Mauensees mit dem stolzen Schloss auf der ufernahen Mauenseeinsel. Auf dieser Seite ist der See, dessen Form an den Kopf eines nach Osten schauenden Mannes mit Knollennase und einem ausgedehnten, herabhängenden Kinn aussieht, weniger als 1 km breit. Ein dichter Wald- und Gebüschsaum, der in eine meist trockengelegte Riedlandschaft übergeht, begleitet dieses friedliche Gewässer. Es hat mich interessiert, ob man es zu Fuss umrunden kann.
 
Der geografische Begriff Mauensee bezeichnet nicht nur den See, sondern auch eine Gemeinde (www.mauensee.ch) mit rund 1150 Einwohnern im luzernischen Amt Sursee. Zu ihr gehören die Weiler Kaltbach und Bognau. Mauensee-Dorf liegt südwestlich des Sees und am Rande des grosses Wauwilermooses. Das touristisch markante Ereignis ist der Landgasthof „Rössli“ nahe bei der renovierten Rochuskapelle. Vielleicht erhielt dieses Gasthaus bei mir auch nur deshalb Bedeutung, weil es gerade Mittag war und sich Hungergefühle breitmachten.
 
Ich setzte mich an jenem 23.04.2010 auf die offene Terrasse mit beschränktem Seeblick, bestellte Kalbsleberli, Rösti und einen „Suure Moscht“ aus dem Hause Ramseier. 3 verschiedene, allesamt nette Serviererinnen bemühten sich nacheinander um mein Wohlbefinden und trugen Brot, Most und das frisch zubereitete Tellergicht auf. Die Leberstücklein waren zart, rosa, saftig und verströmten einen ähnlichen Maggi-Aromat-Duft, zu dem meine verehrte Mutter seinerzeit Zuflucht genommen hatte. Sie tat dies beim Zubereiten von Gerichten nach dem Geschmack meines Vaters und wenn sie der Auffassung war, deren Eigengeschmack, der ihr nicht so ganz gefiel,  müsse etwas überdeckt werden. Und zu dieser Sorte von Speisen gehörten eben Innereien. Wenn man von einem Geschmacksverstärker spricht, wird in manchen Fällen – so vermute ich jedenfalls – nicht der Eigengeschmack des Lebensmittels verstärkt, sondern es kommt noch etwas „Umami“-Geschmack (umami = wohlschmeckend) hinzu, wobei die Salze der Aminosäure (Glutaminsäure) in Fleisch, Käse, Tomaten und Sojasauce von Natur aus vorhanden sind. Es geht also um eine Verstärkung des Umami-Geschmacks.
 
Der Rundgang
Aber ich schweife ab. Denn hier soll ja weniger die Gustatorik als vielmehr die Umrundung des Mauensees beschrieben werden: Direkt unter dem „Rössli“ weist ein Wegweiser „Zum See“, dem ich leicht benebelt folgte. War es der saure Most, das Glutamat oder die Mittagsmüdigkeit? Wahrscheinlich alles zusammen. Die Bewegung an der frischen, etwas milchig wirkenden Luft vertrieb alle leisen Anflüge von Halluzinationen. Der Wiesenweg verläuft neben einem Acker mit dicht aufwachsendem Winterweizen und steuert auf einen von Birken flankierten, tiefen Entwässerungsgraben zu, biegt vor dessen Ufer rechtwinklig ab und führt schnurstracks zum See, wo ein kleines Wehr das ausfliessende Wasser reguliert.
 
Dieser künstlich erstellte Ronkanal fliesst meistens geradelinig durch das Wauwilermoos nach Westen der Wigger entgegen, in die er zwischen Schötz und Egolzwil, in unmittelbarer Nähe der Ronmühle, einmündet. Die frühere Trägerschaft war die „Ronkanalgenossenschaft mit Sitz in Wauwil“; sie gibt es nicht mehr. Die Gemeinden Wauwil, Egolzwil, Schötz, Ettiswil, Kottwil, Mauensee, Knutwil und Oberkirch machten ihre Rechte geltend und nahmen ihre Pflichten wahr. Heute gilt das Gerinne, in das viele Drainageleitungen münden, als öffentliches Gewässer. Ich würde ihm etwas mehr Auslauf gönnen.
 
Beim Seeausfluss zeigt ein Wanderwegweiser zum Schloss bzw. zurück zum Dorf; doch wollte ich das Seelein im Uhrzeigersinn umrunden, und die gelbe Beschilderung sah das nicht vor. Immerhin ermöglichen massive Eichenholzbretter die Kanalüberquerung problemlos. Dann führt ein Trampelpfad auf dem weichen, moorigen Boden dem Waldrand entlang, der den direkten Zugang zum See versperrt und damit eine wichtige Aufgabe wahrnimmt, handelt es sich doch um ein Naturschutzgebiet. Nur an 2 Stellen kann man sich bis zum Wasser begeben: Bei einer Anlegestelle für ein kleines Ruderboot und beim Einlauf eines Entwässerungskanals. Solche geradlinge Rinnsale gibt es rund um den See zuhauf, Resultate des trockengelegten Moors. Dafür vermittelt der See mit seinen sanft geschwungenen Uferpartien und den dürren Schilfhalmen einen romantischen Eindruck. Die Büsche und Bäume wie Weiden, deren Laub erst ansatzweise die Knospen aufgesprengt hatte, gaben den Blick durchs Geäst frei. Am Boden hatten sich Teppiche aus mit Buschwindröschen (Anemone nemorosa) gebildet. Auch die Scharfe Binse (Binsenschneide, Cladium Mariscus) begann, dichte Büschel aufzubauen.
 
Auf der Ostseite zwischen Hitzlingen und Bognau findet der See-Umrunder wieder in den sorgfältig unterhaltenen Wanderweg zurück. Dieser wurde mit einer dicken Schicht aus Holzhäckseln belegt, und etwas landeinwärts sind verschiedene Mulden ausgehoben worden, die sich bei nächstem Regenwetter hoffentlich auffüllen werden. Tümpel für Amphibien, Insekten, Pflanzen.
 
Hauch von Feudalismus
Eine mit einem Baumstamm verwachsene Verbotstafel vom 08.08.1974 verbietet die Annäherung an den Schlossbereich auf Verlangen von Charlotte von Schumacher, ehemalige „Eigentümerin des Mauensees und seiner Ufer“, wie man darauf liest. Auch das Baden, Schwimmen, Schifffahren, das Fischen und Krebse fangen, Campieren, Feuermachen, Abfallablagern und „jede weitere Besitzesstörung“ sind untersagt. Wer nicht pariert, hat mit Busse oder Haft zu rechnen. Eine neuere Naturschutztafel wiederholt diese Anweisungen. Ich machte mich nicht der geringsten Widerhandlung schuldig, löschte sogar meine Zigarre aus, deren Glut sich ohnehin der Bauchbinde, dem Zigarrenring zum Schutze des Deckblatts, entgegen bewegte.
 
Und dann kam das Inselschloss in Sichtweite, das nicht zugänglich und mit einem vergitterten Zugang versehen ist. Der See, die Insel und das Schloss sind heute im Besitze des Kunstsammlers Uli Sigg, dem ehemaligen Schweizer Botschafter in China. Spitze Eisenstäbe begleiten die Torkonstruktion nach oben und weisen kreisförmig zur Seite, auch gegen den See hinunter. Eine Igelstellung, abweisend. Einer unserer Nationalhelden, Arnold von Winkelried aus dem nahen Sempach, würde sich hüten, sich in diese fest montierten Speere zu werfen. Deren Botschaft lautet: Besucher unerwünscht. Privat.
 
Das Schloss Mauensee ist ein einfaches, kubisches und doch festlich anmutendes Bauwerk mit mächtigem Krüppelwalmdach und ocker/rot gestreiften Fensterläden bei den gotisch profilierten Fenstern. Es thront auf Stützmauern am höchsten Punkt der runden Insel. Hier soll sich bereits im Mittelalter ein Wehrbau befunden haben, von dem aber keinerlei Reste mehr vorhanden sind; die Gegend war angeblich bereits in prähistorischer Zeit besiedelt.
 
In den Wirrnissen des Sempacherkriegs (1388), als die aufsässigen Habsburger wieder einmal in Schranken gewiesen werden mussten, sollen die Eidgenossen die Burg auf der Mauenseeinsel zerstört haben. Anschliessend (1455) kamen See und Insel an den Kanton Luzern, allerdings für bloss 2 Jahre, worauf die Liegenschaft „dem erbaren Hans Ulrich Snider jetzt Schultheiss zu Sursee“ verkauft wurde und dann in den Besitz anderer Luzerner Patriziergeschlechter wie der Volger und Pfyffer kam. Der Schultheiss Michael Schnyder heiratete Katharina Pfyffer und damit zufällig gerade auch noch das Gut, das damit wieder in den Besitz der Schnyder-Familie zurückfand. Michael liess an der Stelle der Ruine das Schloss errichten und die Umgebung einschneidend verändern. Er nannte sich jetzt Mauensee (Mowensee) und wählte als Familienwappen einen fliegenden weissen Fisch, der ganz nach Adler aussieht, auf blauem Grund, das jetzt auch als Gemeindewappen dient. Die Ringmauer, die Türme und die Kapelle verschwanden, als das Gefühl überhandnahm, die Zeiten seien friedlicher geworden.
 
Der Bau sieht heute so aus, wie man sich einen französisch-luzernischen, edlen Landadelsitz vorstellt. Von der einstigen Ausstattung soll, wie im Band 8 der „Burgen der Schweiz“ aus dem Silva-Verlag (1882) nachzulesen ist und dem weitere Angaben entnommen sind, nicht mehr viel übrig geblieben sein. Das Erinnerungsstück an die Zeit des Feudalismus ist noch da.
 
Vor dem vergitterten Eingang steht ein wohl über 1 m3 grosses Kunstwerk aus kompaktem Alpenkalk, ein Monolith, in dessen ausgehöhltem Innern eine annähernd raumfüllende Kugel zwischen den undurchdringlichen, steinernen Gittern auf allen 4 Seiten in Sicherheit ist. Das Sicherheitsbedürfnis begleitete die Menschen schon in historischen Zeiten. In dieser beunruhigten Welt gibt es noch immer genügend Rechtfertigungen dafür.
 
Ein kleiner See
Am Mauensee (505 m ü. M.) kann man sich nicht verirren. Er ist einer der kleineren unter den rund 1500 Schweizer Seen, vielfach Folgen der Vergletscherung. Der Mauensee dürfte sich früher weit ins heutige Wauwilermoos hinein erstreckt haben und dann zunehmend zugewachsen sein. Das Moor wurde zur Streue- und Torfgewinnung genutzt, nachher zu landwirtschaftlichen, insbesondere ackerbaulichen Zwecken.
 
Die Seeoberfläche umfasst heute gerade noch 0,55 km2, und das Ufer ist 4,2 km lang. Da der Weg aber in einer grösseren und dann wieder kleineren Distanz zum Ufer verläuft, weitet sich der Radius aus, so dass man für die Umrundung vom Dorf aus mit etwa 2 Stunden rechnen sollte; im Eilmarsch wäre der Rundkurs in 1 Stunde zu bewältigen.
 
Wer sich Zeit lässt, kann Vögel, darunter sogar Baumfalken, Libellen und vielleicht sogar Amphibien in Ruhe bewundern; dieses Naturschutzgebiet ist mit dem Wauwilermoos, einem Lebensraum z. B. für Kiebitze und Hasen, vernetzt und umso artenreicher. In den letzten Jahrzehnten wurden hier rund 300 Vogelarten ausgemacht, darunter natürlich viele Durchzügler, zu denen (den Durchzüglern) ich mich auch zähle.
 
 
Hinweis auf weitere Blogs zum Luzerner Hinterland
03.06.2007: ISOS und Kanton Luzern: Schulung des Ortsbilder-Sehens
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