Textatelier
BLOG vom: 18.10.2009

Auf die Wasserflue: Ein Sonntagsspaziergang zum Panorama

 
Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Die Schweiz wird grob in 3 Grosslandschaften aufgeteilt: den Jura (12 % der Landesfläche), das Mittelland (26 %) und die Alpen (62 %). Mit den letzteren sind nicht nur hoch gelegene Matten und Weiden, die von Friedrich Schiller besungenen „grünen Triften", sondern das schwer zugängliche Gebiet der Berge, der Geröll-, Steinschutt- und Schneeregionen insgesamt, gemeint.
 
Die angegebenen Prozentzahlen variieren von Quelle zu Quelle, und sie können nicht genau sein, sondern geben nur Grössenordnungen an. Die Übergänge zwischen den Landschaftstypen sind ja fliessend, können nicht genau abgegrenzt werden. Etwas feiner wäre die Aufteilung, wenn man die Voralpen und die Alpensüdseite einer speziellen Kategorie zuweisen würde und man also 5 Grosslandschaften hätte.
 
Die Jura-Aussichtspunkte und auch die Bergspitzen in den Alpen vermitteln meistens einen guten Eindruck von all diesen Landschaftstypen, aber immer in einer starken Verzerrung. Und man findet dort oben die Erkenntnis bestätigt, dass es doch immer sehr auf den eigenen Standpunkt ankommt. Ob ich in einer Firma als Lehrling, Arbeiter oder Direktionsmitglied angestellt bin, führt schon zu einer ganz unterschiedlichen Betrachtungsweise. Das ist der Perspektivismus.
 
Am Sonntagnachmittag, 11.10.2009, wanderte ich nach 16 Uhr wieder einmal auf die Wasserflue (Wasserfluh), dem 843,7 m ü. M. liegenden Juragipfel nördlich von Erlinsbach AG/SO und Küttigen AG (www.wasserflue-aarau.ch). Regenwolken schlichen umher, und ich hoffte, an der exponierten Lage wenigstens einige Vorboten der angekündigten Sturmwinde erleben zu dürfen: Wetterdynamik. Denn der Prozess der Luft- und Wolkenbewegungen ist während markanter meteorologischer Veränderungen besonders faszinierend. Ein Schauspiel. Allerdings war die Lage bis zu meiner Heimkehr gegen 19 Uhr wenig dramatisch. Nur als ich mich oben auf der eingehagten Wasserflue-Spitze auf der Sitzbank ausruhte, kam eine kleine, einsame Böe daher, die sich gleich wieder im Luftmeer verlor. Etwas heftigere Winde wehten dann in der Nacht, bliesen die Nüsse von unseren Bäumen.
 
Die Wasserflue-Aussicht
Blickt man auf der Wasserfluh um sich, nimmt der Jura, auf dem man sich befindet, den grössten Teil des Bilds ein. Er beherrscht das Bild besonders in westlicher und grossenteils auch in nördlicher Richtung, weit über die angegebenen 12 % hinaus. Das Mittelland hat im Bild, das sich dem Betrachter offenbart, eine einigermassen angemessene Bedeutung. Doch die Alpen treten sehr zurück, eine Folge der Perspektive, die es auf Verkürzungen abgesehen hat. Zudem werden fernab liegende Landschaften durch Luftverschmutzung, Dunst und Nebel oft verschleiert oder überdeckt, marginalisiert, ausradiert.
 
Wie auch immer die Sichtverhältnisse sein mögen, bieten beschriftete Panoramatafeln immer eine willkommene Orientierung. Auf der Wasserflue stehen seit dem 26.09.2009 zwei solche. Sie können im Internet unter
 
 
angesehen werden. Auf den Originaltafeln sind zusätzlich noch die Höhen der umliegenden Gipfel und die Distanzen vermerkt. Sie wurden von der Clientis Bank Küttigen-Erlinsbach AG aus Anlass ihres 175-Jahre-Bestehens offeriert; das Bundesamt für Landestopografie fertigte sie auf der Grundlage des digitalen Höhenmodells DHM25 an. Dieses Modell modelliert die Form der Erdoberfläche ohne Bewuchs und ohne Bebauung, was gerade den Vordergrund etwas banal und unfertig erscheinen lässt. Hier müssten meiner Ansicht nach unbedingt markante Objekte wie Türme, Strassen etc. eingezeichnet werden.
 
Die eine der beiden Tafeln stellt, vom Stadler Berg, Irchel und Lägeren ausgehend, das Alpenmassiv vom Alpstein zu den Glarner, den Zentralschweizer, den Berner und bis zu den Freiburger Alpen dar. Die nach Nordwesten und Nordosten zeigende Tafel ihrerseits reicht von den Vogesen über den Schwarzwald und den Randen wieder bis zum Stadler Berg. Ein Pfaffenhütchenstrauch und eine abgestorbene, altersgraue, knorrige Bergföhre bilden im Vordergrund eine wunderschöne Dekoration.
 
Auf die Wasserflue
Natürlich ersetzt das digitale Bild ab Bildschirm den eigenen Augenschein auf der Wasserflue nicht, die man am Einfachsten von (Aarau-)Erlinsbach aus erreicht: Mit dem Postauto oder dem PW (bzw. zu Fuss) hinauf Richtung Salhöhe. Etwa 2 km vor diesem Passübergang zweigt eine schmale, mit einem Fahrverbort für Auswärtige belegte Strasse Richtung „Hard“ (Wegweiser) ab. Ein grosser Parkplatz ist vorhanden. Die anderen Zugänge: Küttigen, Fischbach an der Benkenstrasse mit Postauto und zu Fuss hinauf oder Wanderung von der Salhöhe aus.
 
Vom Weiler Hard (695 m) aus ist der Aufstieg zur Wasserflue nicht mehr als ein Sonntagsspaziergang von etwa 30‒40 Minuten. Man kann entweder den gelben Wanderwegweisern folgen oder den Swisscom-Mast als Orientierungshilfe benützen, der allerdings etwas westlich des Aussichtspunkts steht. Der bio- und industrielandwirtschaftlich dominierte, aus Vorder-, Mittel- und Hinterfeld sowie der Chabismatt bestehende Weiler umfasst etwa 20 Gebäude. Seit 2001 bemühen sich die Landwirte um einen ökologischen Ausgleich mit Mager- und Fromentalwiesen sowie Hecken und Feldgehölzen aus Heckenkirschen, Weissdorn, Schwarzdorn, Pfaffenhütchen usf. Die Hecken unterliegen allerdings einer gewissen „Bewirtschaftung“ (Bändigung), indem sie teilweise maschinell zurückgeschnitten werden. Sie beleben das Bild mit den Gras- und Ackerflächen rund um den Weiler.
 
Im Gebiet Hinterfeld (737 m) tritt man in den Wald ein, der bereits herbstlich eingefärbt ist und teilweise wie angerostet aussieht. Eine Esche hatte die noch grünen, gegenständig angeordneten Fiederblätter bereits vor der Verfärbung abgeworfen. Bemerkenswert schien mir, dass im Buchenwald (kein Reinbestand) einzelne Bäume noch in saftigem Grün erscheinen, anderweitig sind die Blätter bereits in Gelb-Orange und fallen ab. Auch bei Ahornbäumen ist das zu beobachten. Man könnte daraus eine Karte über die feuchten Flächen erstellen, also über jene Zonen, die auch nach einer längeren Trockenperiode noch genügend Wasser haben.
 
Inzwischen ist der Regen angekommen. Die verfärbten Blätter werden dadurch nicht wieder grün. Die Vegetationsperiode ist gelaufen. Äcker sind kahl, frisch gepflügt. Und die ersten Pässe sind gesperrt.
 
Der Sommer ist uns abhandengekommen. Wie es sich gehört.
 
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