Textatelier
BLOG vom: 11.12.2008

Eine Spur von Agent Orange: Irisches Dioxin-Schweinefleisch

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Wahrscheinlich erhält die liebenswerte Atlantikinsel Irland in diesen Tagen die christliche Strafe dafür, dass sich das Volk geweigert hat, die unter dem Namen „Lissabon-Vertrag“ bekannt gemachte neue EU-Verfassung zu akzeptieren: Im Schweinefleisch, das auf der grünen Insel herangezüchtet worden ist, sind Dioxine (bzw. polychlorierte Biphenyle PCB als dioxinähnlicher Giftcocktail) im Übermass gefunden worden; die Grenzwerte sollen ums 80- bis 200-Fache überschritten worden sein. Wie in solchen Fällen üblich, muss die betroffene Ware vom Markt genommen und entsorgt werden – ein doppelter Schaden. Diesmal sind neben den saftigen Fleischhappen selbstverständlich auch Schinken, Würste und mit Schweinefleisch bedeckte Tiefkühlpizzen vom Untergang betroffen.
 
Das Dioxin, das es in etwa 200 verschiedenen, mehr oder weniger giftigen Abwandlungen gibt (eine davon ist als „Seveso-Gift“ bekannt), ist laut der irischen Behörde für Lebensmittelsicherheit in Dublin offenbar über Industrieöl (Transformatorenöl oder einer Maschine zur Altbrotverwertung) in Futtermittel und dann ins Fleisch gelangt, vielleicht um die Entsorgungskosten zu sparen und das Futtermittel zu strecken. Solch verseuchtes Futter wurde angeblich vom Unternehmen Millstream Power Recycling an 47 (nord-)irische Bauernhöfe geliefert, und es soll auch noch in der Rindermast eingesetzt worden sein, wobei diesbezüglich die Grenzwertüberschreitungen ums 2- bis 3-Fache relativ klein sind. Mitte 2008 lebten etwa 1,5 Millionen Schweine in Irland, wovon jetzt etwa 100 000 vorzeitig getötet werden. Etwa 7000 irische Arbeitsplätze hängen am Schweinefleisch-Wertschöpfungstopf. Das vergiftete Fleisch mit den damit verbundenen Folgen trifft die irische Wirtschaft schwer, die ohnehin an den von giftigen US-Anlagepaketen erzeugte Finanzkrisen-Leiden leidet, die Folge einer globalen Luftnummer, die ein ganzes illusionäres Blasensystem zur Implosion bringt. Hier waren die Grenzwerte des Erträglichen ums Billionenfache überschritten.
 
Destinationen
Was mich in diesem Zusammenhang neben der Verbreitung eines der grausamsten Gifte, die vor allem durch menschliche Aktivitäten entstehen, ebenfalls schockiert hat, ist der (obzwar bekannte) Umstand, wie Lebensmittel in aller Welt herumgekarrt werden – mit dem entsprechenden Energieeinsatz, ohne dass in solchen Zusammenhängen von Energiesparen geredet wird. So wurde irisches PCB-Schweinefleisch in rund 25 Länder exportiert, wobei die nahe Fleischfresser-Nation Grossbritannien und auch das entferntere Deutschland zu den Hauptabnehmern zählen. Zudem gelangte es beispielsweise nach Frankreich, Belgien, Dänemark, Estland, in die Niederlande, nach Italien, Polen, Schweden, Zypern, Kanada, Japan, Russland, Singapur, Hongkong, Südkorea und in die USA. Rückrufe müssen schon sehr laut sein, um überall gehört zu werden.
 
Die Schweiz mit ihren ausgedehnten Schweinegürteln isst vor allem einheimische Ware oder aber kleine Importmengen aus Deutschland, Österreich oder Frankreich. Schweinefleischverknappungen habe ich bei uns noch nie erleben müssen; unsere Speckrösti musste noch nie um einen ihrer wesentlichen Bestandteile abgespeckt werden. Die Schweizer Behörden haben uns beruhigt, es gebe bei uns kein irisches Dioxinfleisch, anderseits wird solches laut EU (und „Tages-Anzeiger“ vom 07.12.2008) auch bei uns verkauft … Eine reine Glaubensfrage. Am 09.12.1008 wurde aus dem Bundesamt für Gesundheit BAG bekannt, 2 Lieferungen mit verdächtigem Schweinefleisch (total 600 kg) seien in die Schweiz geliefert worden; ob es dioxinverseucht war, werde abgeklärt. Vorerst wollten uns die rücksichtsvollen Beamten die bevorstehende Weihnachtsschinkli-Zeit nicht vermiesen. Zudem sind wir an Dioxin und PCB aus Kehrichtverbrennungsanlagen gewöhnt, wobei allerdings keine Grenzwerte, die bei uns entsprechend hoch sind, überschritten sein sollen. Wir haben also laufend Trainingsmöglichkeiten. Unser BAG, immer auf der Seite der Geschäftemacher (siehe Durchimpfungen), hat die Sache im Griff … Wie immer. Ob unschuldige Dioxinfleischkonsumenten ebenso wie unschuldige Tiere aus dem Verkehr gezogen werden, ist noch nicht bekannt.
 
Die Folgen
Dioxin und PCB lagern sich ins Fettgewebe ein, und sie verursachen Leber-, Milz- und Nierenschäden, Chlorakne (der ehemalige ukrainische Präsidentschaftskandidat Wiktor Juschtschenko wurde mit Dioxin vergiftet und hat starke Vernarbungen im Gesicht davongetragen), schädigen das Immunsystem und gelten als krebserregend. Seit dem Chemiekrieg, den die US-Amerikaner in den 1960er- und 1970er-Jahren gegen die unschuldigen Vietnamesen führten (auch Napalmbomben wurden massiv eingesetzt, bis selbst das amerikanische Volk nicht mehr zuschauen mochte), weiss man, dass es bei höheren Dioxinkonzentrationen zu fürchterlichen Missbildungen und auch zu Totgeburten kommt. Der Report der US-Wissenschaftler Jeanne M. und Steven D. Stellman, Richard Christian, Tracy Weber sowie Carrie Tomsallo („The extent and patterns of usage of Agent Orange and other herbicides in Vietnam“) schätzt die Zahl der möglichen oder heimlichen Dioxinopfer auf 4,8 Millionen Menschen. Nicht eingerechnet sind spätere Todesfälle aufgrund der Umwelt- und Nahrungsverseuchungen.
 
Agent Orange aus den USA
Die Bilder, die ich bei meiner Vietnam-Reise (1995) selber gesehen habe, sind mir unvergesslich: Menschen ohne Beine mit missbildeten Armen auf einem Brett auf 4 Rollen, die sich auf dem Asphalt tapfer zu bewegen versuchten, in Armut dahinsiechende Personen, die keine Strafe verdient haben, aber fürchterlich leiden. Die Vergiftung eines ganzen Landes kann nur einer mit Rücksichtslosigkeit und Dummheit der Politiker und Militaristen aus einer skrupellosen Nation in den Sinn kommen; unter der zahllosen schmutzigen Kriegen, welche die Amerikaner bis heute geführt haben, war dies der wohl perfideste. Selbst 70 000 US-Kriegsveteranen leiden an Dioxinfolgen. Die Verantwortlichen gingen straffrei aus. Die hoch gelobte US-Verfassung schützt Kriegsverbrecher aus dem eigenen Land.
 
1991 ratifizierte der Kongress der Vereinigten Staaten die „Agent Orange Act“, womit pro forma eine Kommission mit der Untersuchung dieser Problematik beauftragt wurde. Sie wurde dann der Einfachheit halber auf die geschädigten US-Soldaten eingeschränkt; denn Ausländer sind aus amerikanischer Sicht praktisch wertlos. Die USA kündigten am 24.02.2005 die Zusammenarbeit mit Vietnam in dieser Sache an, schlichen sich davon, und ein US-Richter in Brooklyn lehnte eine Klage der vietnamesischen Dioxinopfer gegen die Produzentin Monsanto mit den üblichen hochtrabenden, selbstbewussten Sprüchen ab: Es gibt keine Basis für irgendeine der Klagen der Kläger, weder vor einem Gericht einer Nation oder eines Staates oder Landes noch im Sinne des internationalen Rechts.“
 
Die Amerikaner dürfen sich, wie man sieht, alles erlauben, alles entlauben, und zwar ungestraft. Das spürt man auch bei den jetzigen Kapitalverbrechen der Schuldenmacherei auf Kosten der übrigen Welt wieder. Am Schluss stehlen sich die Täter feige aus der Verantwortung.
 
Die Wahrnehmung der internationalen Öffentlichkeit ist mal so mal so. Gegen das Dioxin, mit dem der Völkermord Vietnams betrieben wurde, gab es im Westen, wo die Erfüllungsgehilfen der Amerikaner leben, kaum Proteste. Und jetzt, wo dioxinverseuchtes Schweinefleisch aufgetaucht ist – gewiss keine akzeptable Sache –, ertönen laute Wehklagen.
 
Käme das gleiche Fleisch aus den USA, würde es wohl hingebungsvoll geschluckt, genau wie das mit verheerenden Folgen mit dem von dort vertriebenen Hormonfleisch geschieht, da sie Konsumenten zu Fettlawinen umfunktioniert.
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So weit ein paar Gedanken, die mir beim Lesen der Berichte über den irischen Schweinefleischskandal durch den Kopf gegangen sind. Ich habe meine Frau gerade gebeten, ein vegetarisches Menu zuzubereiten.
 
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