Textatelier
BLOG vom: 01.09.2008

Wegwerfgesellschaft: Vermüllte Parks, Wälder und Bäche

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Es ist kaum zu fassen, wie schlampige und sorglose Zeitgenossen ihren Müll beseitigen. So sieht man des Öfteren bei uns in Süddeutschland an Strassenrändern blaue Müllsäcke oder abgefahrene Autoreifen liegen. Wiederum andere sparen sich die Müllgebühren und entsorgen ihren Abfall in öffentlichen Abfalleimern, die dann bald überquellen und bei warmer Witterung erbärmlich stinken.
 
Immer, wenn ich mit meiner Enkelin Melina Spielplätze in Schopfheim aufsuche, erblicke ich mit Grausen die Hinterlassenschaft von Jugendlichen, die an Abenden dort feierten. Manchmal bücke ich mich und hebe so manchen Müll mit Fingerspitzen auf und befördere ihn in die bereit stehenden Abfallkörbe.
 
Die Strassen werden in Schopfheim von Montag bis Freitag zwar mit einer Strassenkehrmaschine sauber gehalten, aber kaum hat sie die Arbeit verrichtet, müllen wieder uneinsichtige Menschen herum. Eine Unsitte ist auch das Hinauswerfen von Zigarettenkippen, Kaugummi und anderen Dingen aus fahrenden Autos.
 
Putzeten und andere Aktionen
Auch in Bächen der Stadt entdecke ich oft Bierflaschen und Plastikbehälter, die dann im Rahmen einer Bachputzete von Freiwilligen mit anderem Müll herausgefischt werden. Da kommen zentnerweise Abfall zusammen. Es ist unglaublich, was da hineingeworfen wird. So manches ramponierte Fahrrad oder Teile davon wurden schon geborgen. Auch Waldputzeten gibt es in unserem Raum. Ich freue mich dann immer wieder, wenn Schulkinder oder Vereinsmitglieder mit Feuereifer dabei sind, den Müll einzusammeln.
 
Dazu ein Beispiel: Bei den 2. Karlsruher Dreck-weg-Wochen im Jahre 2008 sammelten insgesamt 5000 Karlsruher jeden Alters die Hinterlassenschaften der Wohlstandsbürger in verschiedenen Stadtteilen ein. „Wer jetzt einmal Dreck weg geputzt hat, wirft hoffentlich nie mehr was weg“, meinte Iris Treiber von der Abfallwirtschaftsberatung des Amtes für Abfallwirtschaft. Sie glaubt an den Lerneffekt. Schön wäre es, wenn dies wirklich so einträfe.
 
Und noch ein Beispiel: In manchen Schulen wurden die lustigsten Sprüche für die Mülleimer gesucht. Damit wurden die Mülleimer auf dem Schulareal beklebt.
 
In Hamburg waren die 8600 Abfallkörbe in einem tristen Grau gehalten. Nun wurden rote Mülleimer aufgestellt mit lustigen Sprüchen, wie „Ich bin für jeden Dreck zu haben“, „Lass uns schmutzige Dinge tun“. Der Umweltsenator Michael Freytag hoffte mit der Aktion (sie fand schon 2005 statt) mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen und betonte, dass freiwilliger Umweltschutz auch ein guter Umweltschutz ist, und der muss Spass machen. In Hamburg werden in den 8600 öffentlichen Abfallbehältern etwa 5000 Tonnen Müll jährlich hineingeworfen. 30 000 Leerungen sind in der Woche fällig!
 
Die neue Mode des sinnlosen, idiotischen Saufens, Botellón genannt, die medial mit aller Kraft angeheizt wird, führte am Freitagabend, 29. August 2008, in Zürich zu 52 Sanitätseinsätzen und 6 Tonnen Abfall. An dieser schwachsinnigen „Trinkparty“ sollen laut Medienberichten rund 2000 Einfaltspinsel beiderlei Geschlechts teilgenommen haben. Wegen der vielen Glasscherben wurde die Blatterwiese am Seeufer beim Zürichhorn vorübergehend gesperrt. Gemäss Mitteilung der Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) belaufen sich die Kosten für die Abfallentsorgung und des Aufräumens auf mehrere 10 000 Franken. Dafür hat die Öffentlichkeit aufzukommen. Dieser neue Trend ist ein Phänomen, das Rückschlüsse auf den Zustand der modernen Gesellschaft zulässt: Die totale Verblödung.
 
Die NZZ online berichtete: „Abgesehen von einigen tätlichen Auseinandersetzungen verlief das Trinkgelage friedlich. In einem Fall musste die Polizei Gummischrot einsetzen; 3 Schweizer wurden vorübergehend festgenommen.“ Das ist der Stil der Berichterstattung heute, wenn man etwas herunterspielen will: Abgesehen von den US-Kriegen ist die Welt ganz friedlich. Abgesehen von einigen schweren Unfällen verlief der Verkehr problemlos ...
 
Was die „Waldsau“ anstellt
Sogar auf unseren Wanderungen sieht man diverse Hinterlassenschaften der Wegwerfgesellschaft. So entdeckten wir auf einer Wanderung am 26.08.2008 in der Nähe von Schönau einen Autoreifen, der an einem Ast hing, auf einer Bank einen Pizzakarton und einige Tetrapackungen auf einer Grillstelle. Einen passenden Spruch für solche Menschen mit Wegwerfmentalität entdeckte ich neben der Eingangstür einer Hütte am Staldenweg (die Hütte hatte keinen Namen). 
Die Waldsau
Sie bekommt bepackt mit Essereien
an Wald und Flur sich zu erfreuen.
Sie setzt sich an den schönsten Platz
und stopft sich alles in den Latz.
Stellt den Transistor möglichst laut,
dann wird das Futter gut verdaut.
Wenn sie dann heimkehrt voll gefressen,
Sieht man genau, wo sie gegessen.
Einkaufstüten, Büchsen, Flaschen,
Tempotücher und Plastikflaschen.
Ist dies nun alles leer und aus,
Wirft sie´s in den Wald hinaus.
Die Waldsau schämt sich keinen Dreck,
setzt sich ein anderer an den Fleck.
Nun, lieber Freund, vergiss es nicht:
Was umhüllte Deinen Schmaus,
nimm´s bitte wieder mit nach Haus! 
Ich finde, so manche Wildsau sei sauberer als mancher Zweibeiner. Vielen wird vielleicht gar nicht bewusst, was sie anrichten. Es ist ein gedankenloses Entsorgen von Abfällen in die Landschaft aus Bequemlichkeit. Jeder in unserer Wandergruppe hat sich schon seit je angewöhnt, Abfälle aller Art wieder mit nach Hause zu nehmen.
 
Immer diese Ausländer
Eine passende Anekdote zur Vermüllung soll nicht unerwähnt bleiben: Vor einigen Jahren wanderten wir – 3 Deutsche – mit einem befreundeten Schweizer Ehepaar aus Sissach BL zur Farnsburg. Unterwegs kamen wir an einer kleinen Burgruine vorbei und gewahrten einen Grillplatz mit einem fast leeren Abfallbehälter. Um diesen Abfallkorb herum lagen verstreut Abfälle aller Art. „Das ist eine Sauerei. Und das in der sauberen Schweiz“, bemerkte ein Wanderfreund aus dem Badischen. „Das waren Ausländer, das waren wir nicht“, meinte die Schweizerin. Ein Lörracher Wanderfreund äusserte erfreut, zum Glück meinte sie nicht die „Schwobe“ (so werden die Badener genannt), sondern Ausländer. Es könnten also Franzosen, Österreicher oder Italiener gewesen sein. Als wir die Ruine Farnsburg erreichten, meinte einer aus der Gruppe: „Das waren die Franzosen oder andere Ausländer, die die Burg in Schutt und Asche legten.“ Alle wurden jedoch eines Besseren belehrt. Auf einer schmiedeeisernen Tafel lasen die erstaunten Besucher: „1798 von eignen Leuten zerstört.“
 
Pech gehabt, es waren wiederum keine Ausländer, denen man die Schuld in die Schuhe schieben konnte.
 
Auf unserer Tschechien-Reise vom 12.07.‒19.07.2008 staunte ich nur so, dass auf Plätzen und Strassen der Städte und Dörfer kein Müll zu sehen war. Es war eine Wohltat, solch saubere Zonen zu erblicken. Ich konnte das schier nicht glauben, wenn ich da an die vermüllten Städte in unserer Region oder in südlichen Ländern denke. In Tschechien scheint die Wegwerfmentalität noch nicht in den Köpfen verankert zu sein. Hoffentlich bleibt es so! Bei uns wird sich wohl nicht viel ändern. Vermüllungen und Putzeten wird es bis in alle Ewigkeit geben.
 
Auch das Wegwerfen von intakten Gebrauchsgegenständen ist bei uns üblich. So findet man diese auf Deponien und Recyclinghöfen. In Bad Säckingen-Wallbach D gibt es ein Müllmuseum. Dort hat Erich Thomann – er war Planierraupenfahrer auf der Deponie „Lachengraben“ bei Wehr – seit 1975 die unglaublichsten und schönsten Gebrauchsgegenstände gesammelt und in sein Museum integriert (www.muellmuseum-wallbach.de/). In dem Museum, das ich vor einigen Jahren in Augenschein nahm, sind Blechspielzeuge, Radios, Teddybären, Uhren, Frisörutensilien usw. zu finden. Im Müll entdeckte Thomann sogar die „Schaffhauser Bibel“ aus dem Jahre 1743.
 
Unglaublich, was weggeworfen wird. Es ist ein Spiegelbild unserer Konsumgesellschaft und der ihr innewohnenden Gedankenlosigkeit und der Liederlichkeit..
 
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