Textatelier
BLOG vom: 09.07.2008

Waldsofa und Ausstellung über das Krähenvolk gefunden

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Auf dem Weg, der von Zürich-Altstetten auf den Üetliberg führt, haben wir ein so genanntes „Waldsofa“ entdeckt. Primo erspähte es durch das Baumgefieder. Ein ansehnliches Rund, aus Baumästen zusammengefügt, ähnlich einem Vogelnest, aber auf die Grösse von Menschen zugeschnitten. Eine auf den Waldboden gesetzte Umfriedung. Ein Sofa im herkömmlichen Sinn ist es nicht, wohl aber ein geschützter Ort, um sich wohlzufühlen, zum Träumen, Lauschen, Beobachten.
 
Wir näherten uns langsam, still und etwas ehrfürchtig. Wir schauten uns um, waren alleine da.
 
Links vom Torbogen, der ins Innere und zu einer Feuerstelle führt, lasen wir die Erklärung zu diesem „Waldsofa“. Es sei der gemeinsame Platz von Kindern aus dem Kindergarten Hohlstrasse 437 und Kappeli 1 aus dem Schulkreis Letzi in Zürich. Sie kämen jede Woche einen Tag lang in diesen Wald. Auch wir dürften diesen Raum benützen. Es seien aber Regeln einzuhalten: Keinen Abfall hinterlassen, nichts kaputt machen, kein Holz aus dem kunstvoll geflochtenen Rund herausziehen, um Feuer zu machen. Voraussetzung sei auch, dass die Feuerstelle sauber hinterlassen werde. Und: Die Kiste dürfe nicht mehr aufgebrochen werden.
 
Ausserhalb dieses Baus waren einige aneinander gereihte, kleine Felder zu entdecken, in deren hölzernen Umrandungen Blätter, Gras, Steine, Tannzapfen usw. ausgelegt worden sind. Wie Felder in der Landwirtschaft. Alles mit Liebe und Sorgfalt gestaltet und auf Masse der Kinder zugeschnitten.
 
An Bäumen aus der nahen Umgebung wurden eine aufgehängte Flöte und ebenso Föhrenzapfen bemerkt. Vielleicht entdecken Wespen diesen Ort und nisten sich da ein. Eine Vermutung von Primo. Ebenso flattern farbige Wimpel im Wind und spiegeln die Freude der Kinder. So stelle ich mir das vor.
 
Auch für mich war der Wald im Vorschulalter ein Ort der Geborgenheit und auch der Geheimnisse. Die Beerensuche mit der Grosstante Rosa ein Abenteuer für sich. Ich kann mich gut an Licht und Dunkel und ihr gemeinsames Spiel erinnern. Viele Geschichten, die ich später hörte oder las, wurden durch die damaligen Eindrücke lebendig, farbig und auf ihre Art realistisch. Und solche sind besonders für die Stadtkinder wichtig. Ich freue mich für sie.
 
Die Natur zu entdecken, ist ein endloser Prozess. Ich denke manchmal, dass ein Menschenleben gar nicht ausreicht, alle Lebens-Zusammenhänge zu begreifen. Ein Glück, dass uns Fachleute und Museen behilflich sind. Und ein Glück für die Kinder, wenn ihnen Eltern oder Lehrpersonen die Ehrfurcht vor dem Leben wecken.
 
Gegenwärtig sind es die schwarzen, gefiederten Freunde in meiner Umgebung, die ich besser kennen lernen will. Im Blog vom 09.06.2008 erwähnte ich, dass ich gerne wüsste, ob es Raben oder Krähen seien, die das Lebensumfeld mit uns teilen. Die Ausstellung im Naturmuseum Solothurn, die noch bis zum 5. Oktober 2008 zu besichtigen ist, hat mir die Antwort zweifelsfrei geben können. Es sind Rabenkrähen (corvus corone).
 
Die Masse der Rabenkrähe unterscheiden sich stark von jenen der viel grösseren Kolkraben. Rabenkrähen verfügen über eine Flügelspannweite von ca. 76 cm und ihre Länge Schnabel-Schwanz beträgt 47 cm. Ihnen im Museum gegenüber zu stehen, beeindruckte mich stark. Nun habe ich diesen Vogel verinnerlichen können. Er ist mein Nachbar. Wenn ich am Fenster stehe und unsere Leintücher ausschüttle, fliegt keiner von ihnen auf. Sie werden mich schon kennen. Raben seien gute Beobachter, intelligent und wüssten sich immer wieder neuen Situationen anzupassen, hört man.
 
In der Revue SCHWEIZ, wo ich den Hinweis auf die Ausstellung in Solothurn gefunden habe, werden die Raben als schlaue Biester mit schlechtem Ruf bezeichnet. „Als kluger Vogel bewundert, als Galgenvogel verschrien, als Göttervogel verehrt und als Schädling verfolgt.“
 
Die Ausstellung ist klein, vielfältig und fein. Sie lädt zum Verweilen ein. Auch die Verwandten der Rabenkrähen sind da zu bewundern (Elstern, Eichelhäher, Tannenhäher, Dohlen). Und hier ist es möglich, die seltene Alpenkrähe mit dem roten und die Alpendohle mit dem gelben Schnabel von einander zu unterscheiden. Die ganze Krähengesellschaft ist versammelt und ihre Rufe und Schreie ab Band zu hören.
 
Ich habe wieder einmal erlebt, wie ergiebig ein Ausstellungsbesuch ist, wenn konkrete Fragen auf Antworten warten. Und wie das Verständnis wachsen kann, wenn wir uns in ein Thema einlassen. Es wird in der Ausstellung auch auf die Gründe für die Konflikte mit diesen Vögeln hingewiesen. Die vom Zürcher Tierschutz herausgegebene Broschüre „Krähenvolk. Eine Lanze für Verfemte“ weist schon im Titel darauf hin, dass ein Umdenken von uns Menschen nötig ist.
 
 Die Ausstellung im Naturmuseum in Solothurn ist bis 5. Oktober 2008 zu sehen.
Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag 14‒17 Uhr, Sonntag 10‒17 Uhr.
 
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