Textatelier
BLOG vom: 19.01.2008

Schutz der Dampfnudel: Eine bayerisch-pfälzische Fehde

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Da wird die Dampfnudel in der Pfanne verrückt! Wollen doch die Bayern die Dampfnudel EU-weit schützen lassen, und die Pfälzer, bei denen die Dampfnudel schon seit Menschengedenken als heimische Delikatesse bekannt ist, gucken dumm aus der Wäsche. Aber die Pfälzer – ehemals zum Königreich Bayern gehörig – wollen sich die Dampfnudel nicht kampflos nehmen lassen. Dies teilte der rheinland-pfälzische Landwirtschaftsminister Hendrik Hering mit. Man werde „alle diplomatischen und juristischen Möglichkeiten ausschöpfen“, um die pfälzische Spezialität zu retten, verkündete der Minister augenzwinkernd, und er schlägt einen Dampfnudelgipfel in der Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben vor. Dieser Gipfel könnte endlich klären, wem die Dampfnudel gehört. Wie kam es eigentlich zu dieser Fehde?
 
Nun, das bayerische Ministerium listete auf der Internetseite „Food from Bavaria“ (www.food-from-bavaria.de) 200 Spezialitäten auf, darunter die Dampfnudel, Schwäbische Spätzle und Maultaschen, die wirklich nichts mit den kulinarischen bayerischen Spezialitäten zu tun haben (ich habe noch nie eine Dampfnudel in Bayern gegessen!). Das weiss doch jedes Kind, dass die Spätzle und Maultaschen im Schwabenland zu Hause sind. Verständlich ist, wenn die Bayern ihre Spezialitäten wie beispielsweise Weisswürste, „Allgäuer Kässpätzle“, „Augsburger Zwetschgendatschi“, Münchner Mundsemmel“ oder „Zwickelbier“ und vielleicht auch die „Semmelknödel“ schützen lassen wollen. Bayern ist eben ein Geniesserland, und die Bajuwaren wollen urbayerische Speisenbezeichnungen erhalten. Das ist löblich und verständlich. Aber nur, wenn es sich um echte bayerische Schmankerln handelt.
 
Auf der Internetseite kann man auch nachlesen, was die Bayern ausziehen – keine Angst, die Bayern wollen keinen Striptease veranstalten, sondern nur ihr Schmalzgebäck „ausziehen“.
 
Sollte wirklich die Dampfnudel als „kulinarisches Erbe“ in Bayern anerkannt werden, dann dürfte diese Speise in der Pfalz nicht mehr unter diesem Namen verkauft werden. Die armen Pfälzer müssten dann ihre Dampfnudeln zähneknirschend „Hefeklösse“ nennen. Da dürfte jedem Pfälzer ein Schauer über den Rücken laufen. Sie sind ja keine Preussen. Die „Nordlichter“ sollen bei ihren Klössen bleiben.
 
„Die Bayern haben schon den Emmentaler, die Pfälzer gar nichts“, wurde im Südwestfunk am 14.01.2008 gemeldet, obschon das Emmental in der Schweiz (im Kanton Bern) liegt. Die Bayern haben aber ihren „Allgäuer Emmentaler“ und ihre „Nürnberger Bratwurst“ schützen lassen.
 
Der Dampfnudelkorridor
In einem Kommentar in der „Badischen Zeitung“ vom 15.01.2008 spricht Niklas Arnegger von einem Dampfnudelkorridor, der von Österreich, Böhmen, Bayern bis in die Pfalz reicht. Dann schreibt er, dass die Bayern auf das Restaurant „Dampfnudel-Uli“ in Regensburg verweisen könnten, und die Franken auf den „Dampfnudel-Bäck“ in Nürnberg. Im fränkischen Rülzheim heisst das Freizeithaus „Dampfnudel“. Vielleicht wollten die Bayern deshalb die Dampfnudel schützen lassen, weil sie eben solche Bezeichnungen schon haben.
 
Niklas Arnegger verriet, dass die nach München entsandten Spione ermittelt haben, dass die Bayern die Dampfnudel in die Weltkulturerbe-Liste der Unesco eintragen lassen wollen. „In ähnlicher Gefahr sind Spätzle und Maultaschen, so dass sie in Stuttgart demnächst vielleicht nur noch Gaisburger Marsch essen dürfen. Oder Nudeln mit Kartoffeln und brauner Soss“, bemerkte der Kommentator süffisant.
 
Und was sagen die Bayern dazu? Das bayerische Landwirtschaftsministerium in München will natürlich von einer Fehde nichts wissen. Wie der Pressesprecher Alfons Kraus verlauten liess, hat das Ministerium vor, vielleicht 40 oder 50 bayerische Spezialitäten EU-weit schützen zu lassen. Darunter gehört nicht die Dampfnudel. 16 Speisen sind bereits geschützt, bei mehr als 20 weiteren laufe zurzeit der Anmeldungsprozess.
 
Deckel mit königlicher Geste abheben
Ich lernte die Dampfnudel bei meinen Schwiegereltern in der Kurpfalz (Nordbaden) kennen. Dort gab es salzige Dampfnudeln, die dann mit einer Kartoffelsuppe oder mit Weinschaumsosse oder Vanillesosse verzehrt wurden. Man kann die Speise auch mit eingemachtem Obst oder kalt zum Morgen- oder Nachmittagskaffee genüsslich verzehren.
 
Meistens wird in der Pfalz die Dampfnudel mit Salzkruste und in Bayern die süsse Variante (also ohne Salzkruste) geschätzt. In Österreich kennt man ganz andere Nudeln, nämlich die Germknödel. Diese werden jedoch in kochendem Salzwasser gegart.
 
Die Zutaten von Dampfnudeln sind Mehl, Milch, Hefe, Eier, Butter und Wasser. Für die Krustenbildung in der Pfanne wird Salz verwendet. Etliche Dampfnudelrezepte sind übrigens mit der Suchmaschine „Google“ (www.google.de) unter dem Stichwort „Dampfnudel“ zu finden.
 
Wer Dampfnudeln in einer Pfanne zubereitet, der muss höllisch aufpassen, dass er den Deckel nicht zu früh lupft. Dann nämlich fällt der Hefeteig zusammen, oder die Wassertropfen verunstalten die feine Hülle der Dampfnudeln. Hausfrauen, die in der Dampfnudel-Produktion noch nicht so geübt sind, verwenden jetzt Pfannen mit Glasdeckel. Aber lesen wir einmal in dem Buch „Deutschland deine Pfälzer“ (Ausgabe von 1972) von Ernst Johann, nach, was er über die Dampfnudel geschrieben hatte:
 
„Noch heute gilt eine Pfälzerin erst dann als eine wirklich perfekte Hausfrau, wenn ihr die ,Dampfnudle’ gelingen. Den (Hefe-)Teig zuzubereiten, die Küchlein ausstechen, sie die gehörige Zeit ,gehen lassen’ – das alles ist ganz einfach. Nur muss man um 8 morgens anfangen, wenn man um 12 essen will. Auch die Platzierung im Fett der runden eisernen Pfanne kann man lernen – nicht erlernbar ist das Gefühl für den richtigen Augenblick des Deckelabhebens, ein krachendes Geräusch zeigt diesen zwar an – aber dies kann nur als ein Wink gelten. Die Köchin lässt sich von ihm nicht beirren, sie wartet ihn vielleicht gar nicht ab, vielleicht wartet sie aber auch noch zu. Dann folgt sie einer Eingebung und hebt den Deckel mit wahrhaft königlicher Geste ab. Kein Tröpfchen Wasser darf auf die seidig-zarte Haut des Gebäcks fallen, dessen Unterseite goldgelb gekrustet zu sein hat.“
 
Wir versuchten auch einmal mit königlicher Geste, den Deckel zu heben, und schwupps fielen einige kondensierte Wassertropfen auf die zart erhobenen Dampfnudeln – und schon waren sie verunstaltet. Aber das machte uns nichts aus, sie schmeckten trotzdem vorzüglich.
 
Der Streit um die Mehlspeis’ hatte auch etwas Gutes. Ich wurde dazu animiert, einen Blog über die dampfige Nudel zu schreiben. Ich frage mich nach der bayerisch-pfälzischen Dampfnudelfehde dies: War also alles nur heisse Luft um die beliebte Dampfnudel? Wir wollen es hoffen.
 
Verschiedene Wirkungen des Dampfs
Wilhelm Busch zeichnete folgendes Bild von traurigen Gestalten in einer Wirtschaft: Da sitzt ein Dicker an einem Tisch und hält sich mit der einen Hand an einem Bierkrug fest. Ihm gegenüber kauert ein Dünner, stützt sich mit beiden Händen auf einen Stock. Neben ihm auf dem Tisch steht ein winziges Likörglas. Unter der Zeichnung steht folgender Text:
 
Erster (der Dicke): „Ach, ich fühle mich so unbehaglich voll, wie wohl würde es mir bekommen, wenn ich einige Dampfbäder nehmen könnte!"
Zweiter (der Dünne): „Ach, ich fühle mich so unbehaglich leer, wie wohl würde es mir bekommen, wenn ich einige Dampfnudeln zu mir nehmen könnte!"
 
Anhang
Dampfnudelrezept
Dieses Dampfnudel-Rezept stammt aus dem klassischen Werk „Koch- und Haushaltungsbuch“ von E. Wundt, A. Rothmund und M. Künzler, Berthold Dobler-Verlag Karlsruhe, 1970.
 
Zutaten für etwa 18 Dampfnudeln: 500 g Mehl, 60 g Zucker, 60‒80 g Butter, 250 ml Milch, 1 Ei, 25 g Hefe. ‒ Zum Aufziehen in einer Pfanne von 28 cm Durchmesser: 2 Mal je 1/8 Liter Wasser, Salz (1 Teelöffel) oder Zucker, 1 Esslöffel Butter.
 
Zubereitung: Mit den angegebenen Zutaten bereitet man einen glatten Hefeteig zu. Ist er gegangen, formt man runde Küchlein oder man nimmt den Teig auf ein erwärmtes Wellbrett, wellt ihn etwa 2 cm dick aus und sticht mit einem runden Ausstecher Küchlein aus. Diese setzt man auf ein mit Mehl bestäubtes Brett und lässt sie gut gehen. In einer eisernen Pfanne lässt man Fett zergehen, gibt Wasser und etwas Salz oder Zucker hinzu und lässt dieses aufkochen. Man setzt die Küchlein nebeneinander hinein, schliesst die Pfanne mit einem gut schliessenden Deckel (auch Glasdeckel) und lässt die Dampfnudeln mit schwacher Hitze 15–20 Minuten langsam aufziehen. Sobald in der Pfanne ein krachendes Geräusch zu hören ist, wird der Deckel vorsichtig abgenommen, die Dampfnudeln mit einem Schäufelchen herausgeholt, auf eine Platte gesetzt und möglichst rasch aufgetragen.
Guten Appetit!
 
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