Textatelier
BLOG vom: 18.08.2007

Hochwasser beim Wehr Kembs: Rhein-Management bei Flut

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Durch die 5 Öffnungen, die je 30 m breit sind, donnerten noch am 14. August 2007 gewaltige Wassermengen ins alte Rheinbett (Restrhein) unter dem Kembser Wehr, das ab 1929/1932 gebaut wurde. Neben dem kräftigen Rauschen brandete ein dunkles Grollen aus der Tiefe empor. Der Übergang für Fussgänger und Radfahrer über die Wehranlage aus Richtung Märkt D auf die französische Seite zum Grand Canal d’Alsace schien zu vibrieren. Wie mochte es da um den 9. und 10. August 2007 ausgesehen haben, als das Hochwasser vor allem aus der Schweiz vorbeischoss? Der Pegelstand musste in jenen Tagen um mindestens 6 m höher gewesen sein, so dass also an Wasserfall-Gefälle hinter dem Wehr nicht mehr viel vorhanden gewesen sein dürfte. Das hochgehende Rheinwasser wird sich wohl von den Schützen (Absperr- und Regulierungsvorrichtungen aus senkrechten Platten, die sich erhöhen oder absenken lassen) nicht besonders beeindruckt haben lassen. In den Verstrebungen dieser Abschrankungen haben sich ganze Baumstämme verfangen.
 
Die Wehranlage von Kembs, wo der Wasseranfall manchmal innert weniger Stunden von 1000 auf 4000 m3/sec ansteigt, ist in der Lage, maximal 1400 m3/sec. in den grossen Elsässer Kanal umzuleiten. Also muss sie, wie jede andere Wehranlage auch, für die Wasserableitung ausgerüstet sein. Und bei solchen Gelegenheiten sind die Kraftwerke weiter flussabwärts nach internationalen Abmachungen verpflichtet, ihre Produktion einzuschränken, um die Ausbreitung des Wassers im ehemaligen überschwemmbaren Flussbett oder in den Poldern (im Vorland liegenden Deichen) zu ermöglichen. Das bedeutet also, dass Hochwasser nicht mehr, sondern weniger Stromproduktion bedeutet. Zudem ist bei Hochwasserlagen auch das Gefälle vermindert.
 
Beim Isteiner Klotz
Unser talentierter Blogger und Wissenschaftspublizist Heinz Scholz hatte mich vor der Wehrbesichtigung bei Märkt zum so genannten Isteiner Klotz geführt (in einem eigenen Blog Istein: Stapflehus, Chänzeli und die „Loreley am Oberrhein“ hat er am 17.08.2007 trefflich über das sich am Hang auftürmende idyllische Dörfchen Istein und den Korallenkalkfelsen berichtet); zudem half er mir bei der Informationsbeschaffung. Daraus war zu lernen, dass der Steinklotz im Zweiten Weltkrieg als Festung diente, von welcher aus die Basler Bucht und die Burgundische Pforte beherrscht wurden. Die Anlagen wurden nach Kriegsende grösstenteils gesprengt und der Stein mitsamt der Andachtstätte St. Veits-Kapelle verwüstet. Wahrscheinlich hätte man die Anlagen gescheiter in Ruhe gelassen und die Bunker als Weinkeller genutzt; das Klotzen, das nach der Strategie des deutschen Panzergenerals Heinz Wilhelm Guderian (1888–1954) dem Kleckern vorzuziehen ist, war hier für einmal fehl am Platz. Aber ich möchte mich nicht in innerdeutsche Verhältnisse einmischen.
 
Doch noch immer ist der vorspringende Sporn, der ursprünglich unmittelbar am rechten Rheinufer war, eine imposante Erscheinung. Von unten sieht er tatsächlich wie der Bug eines Schiffs (oder vielleicht das Heck eines alten grossen Segelschiffs) aus; er wurde und wird dementsprechend „Schiff“ genannt. Der Rhein hat ihn unten ausgewaschen, poliert. Der Fels ist überhängend. Der höchste Wasserstand ergab sich hier am 18. September 1852, wie an der Felswand abzulesen ist.
 
Durch den Klotzen führt übrigens ein Eisenbahntunnel. Er wurde 1845 vollendet und war der 1. Eisenbahntunnel der Welt. Kurz darauf wurde noch der Kirchberg- und der Hardbergtunnel eingeweiht. Bald war die Strecke zwischen Mannheim und Basel vollendet. Heute müssen die Züge zwischen Schlingen und Efringen-Kirchen 23 Kurven und die erwähnten Tunnel bewältigen. Die schnellen Züge verlieren Zeit, da sie in diesem Bereich sehr langsam fahren müssen. Zurzeit wird der Katzenbergtunnel (Bauende: 2008) gebaut. Er hat 2 eingleisige Bahntunnel mit jeweils 9,4 km Länge. Die Fahrtzeitverkürzung zwischen Karlsruhe und Basel beträgt nach der Fertigstellung 11 Minuten. Nach Umsetzung des Gesamtkonzepts mit dem Ausbau und teilweise Umleitung der vorhandenen Strecke wird mit einer Fahrtzeitverkürzung von 31 Minuten gerechnet (www.katzenbergtunnel.info).
 
Die neue Landschaft
Die Kraftwerk- und Schleusenbauten sowie das Wehr haben diese Landschaft grossräumig total neu gestaltet. Am Fusse des Isteiner Klotzens ist vom eingedämmten Rhein nichts mehr zu sehen, ein Indiz für die enormen landschaftlichen Veränderungen und Eingriffe durch den Menschen, der den Rhein mit seiner ungestümen und auch produktiven Kraft vollkommen seinen eigenen Zwecken dienstbar gemacht hat. Der Rheinwasserspiegel ist in jener Gegend um mehrere Meter tiefer, und die Distanz vom trockengelegten Klotzen zum Rhein beträgt heute rund 400 m. Die Felsbarrieren bei Istein (Isteiner Schwellen) waren früher ein gefürchtetes Schifffahrtshindernis; heute tuckern die Kähne auf dem Grand Canal d’Alsace in grosser Distanz wie auf einem langen, gleichförmigen See daher. Auf der 117 km langen Strecke bis Strassburg wird die Höhendifferenz von 106 m mit 8 Staustufen mit Wehren und Schleusen überwunden – eine Kanaltreppe grossen Stils, geeignet für die Schifffahrt.
 
Der Fluss wurde von seinen Seitenarmen abgeschnitten, um die „Hochwassergefahr“, die es bloss aus menschlicher Sicht gibt, zu bannen; dabei hat die Natur überhaupt nichts gegen Überflutungen. Die neu gewonnenen Trockenflächen wurden für die Landwirtschaft und Industrieansiedlungen genutzt. Der moderne, einförmige und artenarme Wirtschaftswald verdrängte nach und nach die ursprüngliche Vegetation.
 
Auenbelebung
Selbst der alte Restrhein erhielt unterhalb des Wehrs von Kembs ein befestigtes (betoniertes) Ufer, das bis auf die Dämme reicht. Und oben auf der Dammkrone hat er beim erwähnten, jüngsten Hochwasser 2007 flache Steinabdeckungen aufgerissen, den Damm an den tiefer gelegenen Stellen überspült und sich in die Petite Camargue Alsacienne www.petitecamarguealsacienne.com ergossen – ganz im Sinne der Auenbelebung und des Auenschutzes. Die Auen brauchen Überschwemmungen als Lebenselixier; sie müssen vor dem Austrocknen geschützt werden. Auf das angeschwemmte Plastikzeug aber hätten sie allerdings verzichten können.
 
Heute hat der Auenschutz auch hier am Oberrhein eine zunehmende Bedeutung. Deshalb wurden zur Erhaltung der Rheinauen allein auf französischer Seite 16 000 Hektaren der Naturlandschaft ins EU-Schutzprogramm „Natura 2000“ aufgenommen. Das LIFE-Projekt „Lebendiger Rhein“ ermöglicht Renaturierungsmassnahmen sowie eine aufklärerische Öffentlichkeitsarbeit. In den Auen ist eine besonders artenreiche Fauna und Flora mit Lianen, Orchideen, Graureihern, Seeschwalben, Tafelenten usw. usf. vorhanden – Auen sind die artenreichsten Biotope überhaupt. Und durch ihre Förderung kann ein Teil dessen wieder gut gemacht werden, was bei all den Kanalisierungen unserer Gewässer brutal zerstört worden ist. Der Rhein ist ein besonders tragisches Opfer davon und verdient deshalb besonders intensiver Anstrengungen, um ihn wieder ein bisschen näher an die Natur heranzuführen.
 
Der Angelverein Weil am Rhein und Umgebung e.V. erstellte zum Thema „Der Rhein im Wandel der Zeit“ dem Uferweg entlang rheinabwärts zwischen Stauwehr Märkt und der Kandermündung einen Fischerei- und Naturlehrpfad. Dabei wird auf die Veränderungen des Ökosystems durch die Menschen aufmerksam gemacht – eine wichtige Lektion in Ökologie.
 
Wie es zur Kanalisierung kam
Der Rhein ist seit der Römerzeit ein wichtiger Wasserweg zwischen den Anrainerstaaten wie auch zwischen West- und Osteuropa. Die so genannte Rheinkorrektur (man könnte aus ökologischer Sicht ebenso gut von Rheinverschandelung sprechen) erfolgte in Deutschland seit 1817/1840 mit dem Ziel, die Bevölkerung vor Überschwemmungen zu schützen und die Handelsschifffahrt zu fördern. 1816 hatte ein Hochwasser die Gemeinde Wörth stark beschädigt. Zwischen 1842 und 1876 erfolgte die Begradigung nach den Plänen des berühmten Wasserbauingenieurs Johann Gottfried Tulla aus Karlsruhe, ein Meister seines Fachs, den man auch bei den grossen Gewässerkorrektionen in der Schweiz immer wieder antrifft. Im Falle des Oberrheingrabens wurden Windungen (Mäander) zwischen Basel und Bingen D von 135 auf 81 km verkürzt, Nebenarme aufgefüllt und Deiche gebaut, um den Rhein in ein künstliches Bett zu zwängen. Zuvor war der Fluss auf einer Breite von 6 bis 10 km hin und her gependelt, bildete Inseln und Nebenarme. Die Siedlungen wurden am Hochufer gebaut, etwa 10 m über der Talsohle, wo sie vor Überschwemmungen einigermassen sicher waren. Nun wurde dem Rhein von Tulla noch eine Breite von 240 m zugestanden, von der Neckar-Einmündung an dann 300 m. Zwischen der Lauter-Mündung bis Roxheim waren 18 Durchstiche nötig. Dass damit auch hier die Malaria bekämpft werden konnte, glaube ich so wenig wie in ähnlichen Fällen in der Schweiz (Linthebene, Grosses Moos); das Malariagespenst war wahrscheinlich ein Mittel zum Regulierungszweck.
 
Die Strömungsgeschwindigkeit und damit die (Tiefen-)Erosionen nahmen infolge der Korrektur deutlich zu. Der Grundwasserspiegel senkte sich dramatisch (bis zu 10 m). Deshalb wurden zwischen 1907 und 1950 von Norddeutschland bis Basel Regelungsarbeiten durchgeführt. Mit Buhnen (dammartige, ins Wasser ragende Konstruktionen) wurde versucht, die Strömung wieder zu beruhigen und die Erosionen einzudämmen. Die Bedeutung der Häfen von Strassburg (1924) Hamburg und anschliessend Basel nahmen in der Folge zu. Zur gleichen Zeit entwickelte der elsässische Industrielle René Koechlin ein Projekt für einen Seitenkanal des Rheins; durch den Versailler Vertrag von 1919 nahm dieses konkrete Gestalt an: Der Rheinseitenkanal Grand Canal d’Alsace wurde in Frankreich zwischen 1928 und 1959 gebaut. Dazu gehören die Wehranlage in Kembs, 4 Kraftwerke und die Schleusen. Flussabwärts nach Vogelgrün weicht der Kanal 4 so genannten Schlingenlösungen bis Strassburg; auf der gegenüberliegenden Seite ist der Rhein vollständig kanalisiert.
 
Das Kembser Wehr
In der Umgebung der Anlagen von Kembs sind viele Informationstafeln angebracht, auf die ich mich bei diesen Ausführungen zum Teil abstütze. Auch das Kembser Wehr, das 1. Bauwerk des Rhein-Seitenkanals, ist gut beschrieben. Es besteht, wie eingangs erwähnt, aus 5 Öffnungen von 30 m Breite, die von je einem Senk- und Hebetor bei einer Höhe bis zu 12 m gesperrt sind. Falls ein Schütz blockiert sein sollte, müssen die anderen die Aufgabe der Regulierung des Wasserdurchflusses erfüllen können.
 
Wehranlagen dienen dazu, das Wasser für die Energieerzeugung in den Oberlaufkanal umzuleiten, die Schifffahrt zu ermöglichen und Überschwemmungen so weit als möglich zu verhindern. Das gilt auch für Kembs am Eingang des Grand Canal d’Alsace und für die Zuführungskanäle mit ihrem schlingenförmigen Ausbau von Marckolsheim, Rhinau, Gerstheim und Strassburg. Der Landwirtschaft und der Grundwassersicherung dienen 2 Kulturwehre (Breisach und Kehl) sowie 7 „feste Schwellen“ bzw. niedrige Wehranlagen, die eine Wasserrückhaltung bewirken.
 
Eine Fischleiter alter Schule beim Wehr Kembs ermöglichte früher den Lachsen, ihre Laichplätze zu erreichen; der Rhein sollte ja neben der Elektrizität auch Fische produzieren können und vor allem das Fischleben ermöglichen. Heute wird die Leiter von allen möglichen Fischarten benutzt. Der am Reissbrett entstandene Beckenpass in Bogenform ist ein Betongerinne, das 12 m Höhenunterschied zwischen Rhein und Grand Canal d’Alsace überwindet, 240 m lang lang ist und aus 80 Becken besteht mit einem Höhenunterschied von je 15 cm. Sie sind durch Vertikalschlitze miteinander verbunden und lassen eine Strömung entstehen. In den Becken, die 9 Kubikmeter Wasser enthalten und 1,5 m tief sind, können sich die Fische ausruhen.
 
Diese Fische werden instinktiv durch Strömung angezogen, deshalb ist neben der Fischtreppe eine Kleinturbine (800–2500 kW) angeordnet. Sie wird durch die vorgeschriebene Mindestwassermenge von 15 bis 30 m3/sec. betrieben. Zur Aufrechterhaltung der Flora und Fauna führt diese Kleinturbine dem natürlichen Rheinbett die Mindestwassermenge zu (20 oder 30 m3/sec., je nach Jahreszeit). Der Pass wird alljährlich gereinigt, und jeden 2. Donnerstag im Monat lässt der Oberste Fischereirat (CSP) mit Hilfe einer Reuse die Fischpopulationen, die hier vorbei kommen, zählen, messen und identifizieren. Alle anderen Stauwehre sind mit einer Fischschleuse und Aalröhren oder mit einer Fischleiter ausgestattet. Die Kraftwerke Iffezheim (seit 2000) und Gambsheim (seit 2003) verfügen über die grössten Fischpässe Europas für Wanderfische. Ein Fischer am Altrhein warf gerade seine Angeln aus, allerdings ohne bei diesem trüben Wasser, das genügend Futter enthielt, von den Fischen Beachtung zu finden.
 
Weiter unten befindet sich das Wasserkraftwerk Kembs, das zu 80 % französisch (Eléctricité de France) und zu 20 % schweizerisch ist. Der Anteil der Schweiz rechtfertigt sich dadurch, dass der Staubereich auf Schweizer Gebiet zurückreicht. Dafür sind 2 Konzessionen nötig; das Verfahren läuft nach französischem, schweizerischem und europäischem Recht ab. Kompromisse basieren auf einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Ende 2007 muss eine neue Konzession fertig sein. Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) hatte bereits vor Jahren mit guten Gründen vorgeschlagen, die Mindestwasserführung im Restrhein von 15–30 m3/sec. auf 150 Sekundenkubikmeter zu erhöhen. Zudem sollen Vorkehrungen getroffen werden, dass eine Furkationsaue (Furka = Gabel) mit verästelten Seitengewässern entstehen kann, die nicht nur ein Erholungsraum für die Natur, sondern auch für den Menschen wäre. Daraus ersieht man, dass es bei der Konzessionserneuerung um Wesentliches geht.
 
Erinnerungen
Tief beeindruckt bin ich 1985 von einer Rhein-Ijssel-Schifffahrt von Amsterdam bis Strassburg, der „Königin der Städte am Oberrhein“, heimgekehrt. Vor lauter Beobachten, Geniessen und Fotografieren kam ich jeweils kaum zum Essen. Doch war es nicht das Fluss-Erlebnis mit dem grossen Schiffsverkehr als solches, das mir in tiefer Erinnerung geblieben ist, sondern das, was sich am Ufer abspielte. Besonders die riesigen Industrieanlagen im Ruhrgebiet wie in Duisburg mit der Parade der Hochöfen und Fördertürmen, den Quai- und Bunkeranlagen, den Werften, Fabrikgebäuden und Schifferkneipen beziehungsweise das, was von alledem übrig geblieben ist, bleibt mir unvergessen. Vom Wasser aus war zu erleben, was alles an Tonnagen umzuschlagen war, wie etwa für die Bergbau- und Hüttenstadt Oberhausen in Walsum. Was da zu sehen war, hat mich förmlich erschlagen. Denn solche schwerindustrielle Zustände gibt es bei uns in der Schweiz nicht, und selbst der Eisenerzabbau im Aargau (Herznach), der sich in der Unterwelt abspielte, ist 1967 eingestellt worden.
 
Bald nach dem Ruhrgebiet kam der Mittelrhein ins Blickfeld, der zwischen dem goldenen Mainz und Köln als der landschaftlich schönste Abschnitt gilt, und es freute mich, einen Eindruck von Bonn, von wo aus damals noch die westdeutschen Geschicke bestimmt wurden, gewinnen zu können. Weiter rheinaufwärts schwebten wir an vielen schiffsförmigen Inseln im Rhein vorbei, als ob die Attraktionen an den beiden Rheinufern nicht ergiebig genug gewesen wären. Bei dem Loreleyfelsen wusste ich als Heinrich-Heine-Leser natürlich, was das bedeuten soll. Die Fahrt war wirklich ein Traum, ein Märchen, aber die alten Zeiten, die im Lied besungen werden, gab es längst nicht mehr.
 
Der Rhein ist ein weitgehend kanalisiertes Gewässer, wo er sich nicht in Felshindernisse eingefressen hat, wurde er durch Menschenhand in Zügel gelegt. Man vergisst das, kennt nichts anderes und hat das Gefühl, das sei immer so gewesen. Man muss schon in alten Büchern blättern, um aus Beschreibungen und Zeichnungen zu erfahren, wie schön es einmal war, wie die geschwungenen Linien die Landschaft beherrschten, bis dann wieder ein Hochwasser kam und neue Verhältnisse, neue Bilder schuf. Das ist alles wunderschön mitzuerleben, besonders wenn sich solche Aktionen auf reine Auengebiete beschränkten und dem leicht verwundbaren Menschen und seinen Schöpfungen keinen Schaden zufügen.
 
Doch war es gerade das Wasser, das schon immer eine Anziehungskraft ausübte. In den breiten Flusstälern war Land für landwirtschaftliche Zwecke, Siedlungen und Industriebauten zu gewinnen. Die Gewässer dienten als Wasserstrassen, wurden ihrer Schönheit beraubt, den anthropogenen Bedürfnissen und wirtschaftlichen Interessen untergeordnet.
 
Die von Heinz Scholz mit Sorgfalt und Einfühlungsvermögen vorbereitete Exkursion, wo der Rhein die Schweiz verlässt und zwischen Elsass und Markgräflerland weiter dem Meer zufliesst, hat in einem typischen Umwandlungsgebiet im Grossformat gezeigt, wie gravierend die Abänderungen des Naturgegebenen waren und wie schwierig es trotz all des Aufwands noch heute ist, diese Bauwerke, die manchmal die Naturkräfte noch stimuliert, über die Runden zu bringen. In meinen reiferen Jahren sind es nicht nur die offensichtlichen Grossbauwerke, die ich wahrnehme, sondern ich versuche auch, dahinter zu schauen und mir vorzustellen, wie es einmal gewesen sein muss. Genau wie wenn ich eine Kirche sehe, denke ich an die namenlosen Menschen, die das alles im Schweisse ihres Angesichts geschaffen haben und bezahlen mussten und von denen niemand mehr redet. Das Vordergründige genügt mir nicht mehr.
*
Neben mir liegt die „Kompass“-Karte „Schwarzwald Südblatt“ (1:75 000), an deren linkem Rand sich der Rhein zwischen Basel bis nördlich von Oberrimsingen dahinschlängelt. Und manchmal, wie bei Blansingen/Kleinkems und Steinenstadt, fällt er gar wegen eines Bogens nach Westen aus dem Rahmen. Fast parallel ziehen sich der Altrhein und der Grand Canal d’Alsace durch die Landschaft, die von viel Grün umgeben ist, nicht nur auf der schmalen Insel zwischen den beiden Gewässern.
 
Nach alledem was ich gesehen und auf Orientierungstafeln mit naturschützerischem Unterton gesehen habe, bin ich zuversichtlich, dass hier noch nicht Hopfen und Malz verloren sind. Wenn sich die Deutschen und Franzosen (Elsässer) in Naturwiederherstellung üben, dann tun sie das mit ihrer angeborenen Gründlichkeit. Der Prozess läuft bereits auf allen Ebenen. Anstelle von Konzessionen an die Wirtschaft und den Verkehr sind jetzt Zugeständnisse an die Natur das Gebot der Stunde.
 
Hinweis auf weitere Ausflugsberichte und Blogs zur Reisethematik von Walter Hess
(Reproduktionsfähige Fotos können zu all diesen Beschreibungen beim Textatelier.com) bezogen werden.)
 
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst