Textatelier
BLOG vom: 16.04.2007

Paul Wolfowitz: Nach den Sockenlöchern eine heikle Affäre

Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
 
„Wolfowitz, das ist doch der Mann, der mit durchlöcherten Socken in einer Istanbuler Moschee herumstolzierte“, antwortete eine Bekannte auf meine Frage, ob sie den Wolfowitz kenne. Sie habe sich damals sehr gewundert, dass ein so armer Mensch mit zerknitterten Hosen und Löchern in den Socken von hohen türkischen Regierungsbeamten empfangen wurde (siehe mein Blog Kein Witz: Paul Wolfowitz gibt Einblick ins Socken-Innenleben vom 2. Februar 2007).
 
Als ich ihr erzählte, der besagte Mann sei der Weltbankpräsident Paul Dundes Wolfowitz (geb. 1943 in Brooklyn, New York City) erinnerte sie sich an den neuesten Skandal, den sie in der „Badischen Zeitung“ gelesen hatte. „So ein Schlawiner, der hat doch seiner Freundin einen Job besorgt und ihr viel Geld gegeben.“
 
Nicht die durchlöcherten Socken, sondern die neue Affäre brachte nun den Weltbankpräsidenten massiv unter Druck. Im Herbst 2005 hatte er seiner Partnerin Shaha Riza eine Beförderung und eine beträchtliche Gehaltserhöhung auf Kosten der Weltbank ermöglicht. Wie die „Washington Post“ berichtete, erhielt die besagte Dame eine Gehaltserhöhung von 60 000 Dollar pro Jahr. Ihre Jahresbezüge kletterten auf mehr als 190 000 Dollar.
 
„Einen solchen Chef möchte ich gerne haben“, bemerkte meine Gesprächspartnerin. „aber ich möchte nicht gerne eine Geliebte des sauertöpfisch dreinblickenden Wolfowitz sein“, und sie fügte noch schnell hinzu: „Ich möchte auch nicht seine Socken stopfen.“
 
Nun, Socken zu stopfen braucht jetzt niemand mehr. Wolfowitz erhielt ja inzwischen von einer Schweizer Firma (www.blacksocks.com) ein Dutzend Qualitätssocken. Die kann er noch lange, hoffentlich bald als Rentner, tragen.
 
Inzwischen entschuldigte sich Wolfowitz laut „ORF“ (www.orf.at). Er räumte Fehler ein und werde die volle Verantwortung für alle Details des Arbeitsvertrags auf sich nehmen. Ein edler Zug, der erst nach der Aufdeckung des Skandals möglich wurde ... Der Verwaltungsrat der Weltbank wird nun über die Konsequenzen beraten und solche hoffentlich treffen.
 
Shaha Riza hat ihren Job inzwischen beendet. Sie reagierte regelgerecht auf interne Vorschriften der Weltbank. Diese Organisation verbietet „romantische Beziehungen“ zwischen Vorgesetzten und Angestellten.
 
Zur Erinnerung, Paul Wolfowitz war unter Donald Rumsfeld früher Vizeverteidigungsminister der USA. Er gilt als einer der Vordenker des Irak-Kreuzzugs. Ein Kriegstreiber, der sich jetzt als Wohltäter aufspielt. Schon die Nominierung und spätere Ernennung des „kalten Kriegers“ zum Chef der Weltbank am 1. Juni 2005 durch Präsident George W. Bush stiess auf viel Kritik, nicht nur in Europa, sondern auch in der US-amerikanischen Öffentlichkeit, sogar im Pentagon und im Weissen Haus.
 
Trotz internationaler Kritik lehnt Wolfowitz den Rücktritt ab. Wie AFP und diverse Zeitungen am 16. April 2007 berichteten, möchte er die „wichtige Arbeit der Weltbank" bei der Armutsbekämpfung fortführen. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) fürchten wegen der Affäre um den Ruf der Entwicklungshilfeorganisation.
Wie erwartet, bekam der Präsident Unterstützung von der US-Regierung, weil Wolfowitz auf deren Linie liegt. Der US-Finanzminister Henry Paulson erklärte, er habe „grossen Respekt" vor Wolfowitz. Es bleibt offen, wie er das gemeint hat: grossen Respekt wegen dessen Unverfrorenheit oder wegen seiner Arbeit?
 
Der deutsche Politiker Michael Müller (SPD) hatte schon die Ernennung von Wolfowitz als „verheerend“ empfunden, und er nannte ihn einen „kalten Krieger“. Wolfowitz sei kein Wegbereiter einer kooperativen und friedlicheren Welt (www.sueddeutsche.de). Dem kann man ohne Einschränkungen zustimmen. Die Weltbank als Globalisierungsinstrument tut mehr für die Unterjochung der armen Länder als deren Wohlergehen.
 
Ein doppelter Skandal
Die Affäre um den Weltbankpräsidenten kommentierte Markus Günther in der „Badischen Zeitung“ vom 14. April 2007 sehr treffend. Zunächst bewertete der Autor die Mauschelei mit dem Haufen Geld, den seine Freundin erhielt, als Skandal. Die Mitarbeitervertretung der Weltbank fordert jetzt seinen Rücktritt. Er wird wohl über diese Affäre stolpern. „Schliesslich hat sich nicht nur Wolfowitz dem Kampf gegen die Korruption verschrieben; auch die Weltbank selbst hat die Aufgabe, die Korruption in Entwicklungs- und Schwellenländern zu bekämpfen, Rechenschaft von Regierungen zu verlangen und eine Kultur der Verantwortlichkeit durchzusetzen“, so der Autor.
 
Und da passt natürlich solch ein durchtriebener Geselle nicht ins Konzept einer Weltbank, falls sie ihren Auftrag überhaupt erfüllen will. Die verantwortlichen Politiker der Entwicklungsländer könnten dann mit dem Finger auf den korrupten Patriarchen deuten.
 
Viele fragen sich heute, wie Wolfowitz als Rumsfeld-Vize überhaupt zu dem Posten kommen konnte. Das frage ich mich immer wieder, wenn Politiker, aber auch Manager, in andere Posten weggelobt werden. Es sind abgehalfterte Politiker, die noch für einen Posten in der EU, Nato, Uno und anderen Organisationen zu gebrauchen sind.
 
„Sie verstehen das Wort ‚Versorgungsposten’ dann oft wörtlich und stecken sich die Taschen voll. Dabei hätten gerade die internationalen Organisationen erstklassiges Personal verdient. Dass sie immer wieder die Auslaufmodelle nationaler Politik bekommen, ist auch ein Skandal“, so Markus Günther.
 
Auch in meinem Arbeitsleben konnte ich diese oder jene Beobachtungen machen. So wurde beispielsweise ein Abteilungsleiter aus der Schweiz, der dort negativ in Erscheinung getreten und für einen internen Posten nicht mehr zu gebrauchen war, nach Deutschland in eine Zweigfirma versetzt. Dort sass er im wahrsten Sinne des Wortes die 2 Jahre vor seiner Pensionierung ab. Er fiel auch hier negativ auf und war bei seinen Mitarbeitern umstritten und unbeliebt.
 
Nun kann man nur hoffen, dass Paul Wolfowitz bald ein ruhiges Pensionärsleben mit seiner teuren Freundin führen und keinen weiteren Schaden mehr anrichten kann. Geld dürfte er ja zur Genüge ergattert haben. Wer eine Günstlingswirtschaft betreibt, kommt in Verdacht, sich auch selber zu begünstigen.
 
Hinweis auf ein weiteres Wolfowitz-Blog
02.02.2007: Kein Witz: Paul Wolfowitz gibt Einblick ins Socken-Innenleben
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