Textatelier
BLOG vom: 31.12.2006

Äthiopien: Wie die USA in Somalia einen Krieg führen lassen

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Selbst die ans System angepasste „New York Times“ kam nicht um diese folgende Feststellung herum: „Die USA haben ihren Einfluss auf Somalia verspielt, indem sie einige scheussliche Kriegsfürsten dabei unterstützt haben, die radikalen Islamisten herauszufordern.“ Im nordostafrikanischen Nachbarland Äthiopien haben die Amerikaner diesen Einfluss noch. Auch dort nehmen die USA ihre strategischen Interessen wahr und unterstützen Partner, „die aus moralischer Sicht von inakzeptabel bis widerwärtig“ reichen, wie das „Wall Street Journal“ festgehalten hat. Die USA haben den äthiopischen Armee-Einsatz gegen das Nachbarland Somalia am Horn von Afrika unterstützt, vielleicht auch initiiert. Darauf weist jedenfalls hin, dass die US-Diplomaten bei den Friedensverhandlungen, zu denen die Europäische Union (EU) eingeladen hatte, durch Abwesenheit glänzten. Schliesslich betrieben die USA keine Friedens-, sondern eine Kriegspolitik. Es kann auf dieser Erde keinen Frieden geben, solange diese Nation mit ihrer Schurkenregierung nicht zurückgebunden wird.
 
Zu den trüben Figuren (neben jenen in Washington) gehören laut dem „Wall Street Journal“ der „autokratische Ministerpräsident“ von Äthiopien, Meles Zenawi, und eine Koalition von Kriegsfürsten im östlich angrenzenden Somalia, das seit 15 Jahren keine funktionierende Zentralregierung mehr hat. Seit dem Sturz des von den USA unterstützten Diktators Siad Barre (1991) – er starb 1995 an einem Herzinfarkt in Lagos (Nigeria), wohin er geflohen war – ist Somalia in einer Bürgerkriegssituation. Die schwache Übergangsregierung wird von Ali Mohamad Gedi geleitet, Resultat eines Kompromisses unter Clanbossen, die das Land plündern.
 
1993 hatten die USA versucht, die Herrschaft dieser Warlords in Somalia zu beenden, wohl weniger aus Herzensgüte, sondern um selber zu Einfluss zu kommen. Wie immer bei US-Kriegen, die auf starke Waffen statt auf Hirnleistungen setzen, gingen auch hier die Schüsse hinten hinaus: 18 US-Soldaten wurden getötet, und ihre Leichen wurden von einer jubelnden Menge durch die Strassen geschleift. Der Film „Black Hawk Down“ arbeitete dieses US-Trauma mit Unterstützung der US-Army auf, in dem die peinliche militärische Pleite glorifiziert wird; darin wird jeder tote US-Soldat als Tragödie hingestellt; aber wenn Schwarze massenweise fallen, wird davon kaum Notiz genommen, der übliche durchaus erlaubte und ständig zelebrierte Rassismus übelster Art.
 
Rund 10 Jahre später änderte die CIA die Taktik um 180 Grad und begann mit den früher bekämpften marodierenden Kriegsfürsten zusammenzuarbeiten, um den wachsenden Einfluss der Islamisten zu untergraben und den „Clash of Civilizations“ aufleben zu lassen, immer auf dem Hintergrund eigenen Machtstrebens. Die Christen wollten auf Drängen der christlich-fundamentalistischen USA in Somalia einen Gottesstaat islamischer Prägung verhindern, teilten die Medien gehorsamst mit. Wie immer beim US-Politikmuster, wird nicht verhandelt (mit Islamisten schon gar nicht), sondern dafür gesorgt, dass scharf geschossen wird.
 
Wie ich auf mehreren eigenen Afrika-Exkursionen festgestellt habe, hat der Islam auf jenem Kontinent die weitaus besseren Karten, weil er anpassungsfähiger als etwa der aus dem Vatikan zentral gesteuerte, von der Natur abgehobene Katholizismus, wenn schon die herkömmlichen Naturreligionen nicht mehr sein dürfen. Selbstverständlich wirkt auch der kolonialgeschichtliche Hintergrund nach. Aber in aller Regel neigen die Islamisten in Afrika nicht zum religiösen Fanatismus oder Extremismus, so dass es ein Akt der religiösen Toleranz wäre, sie in Frieden zu lassen.
 
Doch die fundamentalistischen, neokonservativen Amerikaner, bei denen sich die eigene Religion ins verquere Macht- und Gewinndenken eingekrallt hat, sehen das anders. Nur etwas hat sich geändert: Neuerdings werden die Kampffronten nach all den militärischen Schlappen, welche die USA bei ihren Vernichtungsfeldzügen in aller Welt eingefahren haben, gern anderen überlassen. Im konkreten Fall wurde das christliche, US-hörige Äthiopien masslos militärisch aufgerüstet und zur regionalen Herrschaftsmacht vorbereitet und auf Somalia losgeschickt, obschon die Äthiopier an sich kein kriegerisches Volk sind (in Israel bin ich vielen ausgesprochen friedlichen äthiopischen Juden begegnet, von denen es dort Zehntausende gibt; sie reisten aus Äthiopien aus, als die diplomatischen Beziehungen unterbrochen waren).
 
In Somalia hatten die Islamisten ihren Einfluss ausgebaut und immerhin eine verhältnismässig stabile Lage zustande gebracht, die jetzt aber zertrümmert ist und Leichenbergen weichen muss. Der islamische Milizenführer Dahir Aweys, der den Kampf gegen die Aggressoren aus Äthiopien führt, wurde von den USA in den Rang eines Topterroristen erhoben. Und es ist zu erwarten, dass die USA den Zweiländerkonflikt ausweiten werden, zum Beispiel auf Eritrea, das schon bisher vom militärisch aufgerüsteten US-Handlanger Äthiopien bedrängt worden ist; man sprach etwa von Grenzstreitigkeiten.
 
Die militärische Übermacht der US-unterstützten Christen in Äthiopien und anderer westlich geförderter, willfähriger Mitläufer führt auch hier dazu, dass die Islamisten zur Guerilla-Taktik wechseln müssen und damit zwangsläufig zu Terroristen werden. Die Terrorismus-Förderung wird jetzt somit auch in diesem ostafrikanischen Gebiet erfolgreich vorangetrieben, was dann den westlichen Kriegsnationen wieder ein willkommener Vorwand für Aufrüstungs- und Überwachungsmassnahmen ist. Die Sache läuft also wieder einmal rund, ganz im Sinne der Bush-Doktrin.
 
Saddam Hussein wurde im Irak nach einer unfairen Prozess-Farce gerade möglichst unverzüglich hingerichtet (Bushs Rache) und zum Märtyrer gemacht, aber andere Kriegsverbrecher wüten weiter; sie dürfen sich über jedes Rechtsempfinden und jedes Recht hinwegsetzen. Bürgerkriege und Tote auch unter Frauen und Kindern werden in beliebiger Menge in Kauf genommen, ohne dass es da zu Kriegsverbrecherprozessen kommt. Das Wichtigste: Unter den Toten dürfen keine GIs sein. Diese sind in der angrenzenden ostafrikanischen Republik Dschibuti stationiert, die mit Äthiopien durch einen Freundschaftsvertrag verbunden ist und haben wahrscheinlich den Einmarsch der Äthiopier in Somalia unterstützend begleitet.
 
Die Uno macht wieder einmal eine jämmerliche Figur; zu mehr als ein paar Hilfsflügen zugunsten der Not leidenden Menschen in Mogadischu, der Hauptstadt von Somalia, die von den Islamisten geräumt werden musste und wo eine Welle von Plünderungen einsetzte, reichte es nicht. Zu all dem inszenierten Elend war es nach der Dürre im Süden von Somalia noch zu einer Flutkatastrophe gekommen. Es treibt jeden rechtdenkenden Menschen auf die Barrikaden, mitansehen zu müssen, dass solche Verelendungen nicht Anlass zu Hilfsaktionen sind, sondern sogar als willkommene Voraussetzungen zur vereinfachten Machtausweitung erkannt werden.
 
Afrika hat sich bis heute noch nicht von seiner Kolonialgeschichte, einer Phase der Ausbeutung durch westliche Länder, erholen können; der Kontinent wurde in seinen Grundstrukturen irreparabel zerstört. Und statt durch Wiedergutmachungen, die von Einfühlungsvermögen begleitet sind, diesem an sich wunderbaren Erdteil eine Chance zu geben, werden christliche Länder nicht müde, den Zusammenprall der Kulturen bei jeder Gelegenheit wieder zu üben, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
 
Wie segensreich wäre für die Menschheit doch einmal ein Jahr ohne ständige US-amerikanische Kriegstreibereien! Ich wünsche dies uns allen aufrichtig, auch wenn die Erfüllungschancen gleich Null sind.
 
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