Textatelier
BLOG vom: 28.11.2006

Lebenskünstler Robert Quinche: „Stossen wir noch mal an!“

Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
 
Robert Quinche (1906−1993), der in diesem Jahr (2006) 100 Jahre alt geworden wäre, war ein Schweizer Drogist, ein exzellenter Pflanzenkenner und Kantonsrat. Anlässlich eines Interviews mit Ernst Herzig sagte er: „Ich habe lieber Wein als Spitalrechnungen.“
 
Er blieb auch im hohen Alter ein spontaner, warmherziger, liebenswürdiger Mensch und war den Freuden des Lebens sehr aufgeschlossen. Frau Margrit Haller-Bernhard hat den Menschen Quinche treffend charakterisiert, indem sie in einem Artikel in „Natürlich“ schrieb: „Wenn man ,cher Robert' gegenüber sitzt, vergisst man dessen Alter. Lebhaft wie eh und je weiss er zu erzählen, zu lachen und eine frohe Atmosphäre zu verbreiten.“
 
Überall, wo dieser gute, vom positiven Denken erfüllte Mensch auftauchte, verbreitete sich eine wohltuende Stimmung. Er wurde, wie Georg Altermatt einmal sagte, „Mittelpunkt der Anwesenden, der wie ein Leuchtturm Freude, Unbeschwertheit und Vertrauen ausstrahlt.“
 
Anlässlich eines gemütlichen Zusammenseins nach einer Kräuterwanderung mit Bruno Vonarburg in Ausserberg VS schrieb er mir in sein Buch „Gewürzkräuter – vom duftenden Garten zum Kochtopf“ folgenden Spruch hinein: 
„Einmal gelesen:
Wer geliebt, kann nicht vergessen,
Wer vergisst, hat nie geliebt,
Wer geliebt und doch vergessen,
Hat vergessen, wie man liebt.“ 
Für mich war der Kräuterexperte einer der liebenswürdigsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Seine Lebensfreude und sein blumiger Humor waren einzigartig. Er brachte sogar so manchen Griesgram zum Lachen oder Schmunzeln.
 
Ernst Herzig, ehemaliger Redakteur der „Schweizer Drogisten Zeitung“, erfuhr während eines Interviews einige seiner tiefsinnigen Zitate. Einige davon sollen in Erinnerung gerufen werden:
 
„Wenn ich nachts erwache und der Vollmond mich nicht schlafen lässt, singe ich leise vor mich hin und warte, bis sich die Augen wieder schliessen.“
 
„Meine ersten Kräuterwanderungen machte ich an Mutters Hand, später mit meinem Lehrmeister, Papa Teufer, im Zürcher Oberland. In 40 Jahren Tätigkeit als Drogist-Herborist durfte ich unzählige Pflanzen mit Freuden sammeln, meinen Mitmenschen helfen und meine Freunde begeistern. Ihnen allen schulde ich Dank, den Heilpflanzen im Besonderen.“
 
„Ich sage mir jeden Tag: Gott, wir haben es schön auf dieser Welt.“
 
„Die Dankbarkeit ist verschwunden, die Menschen wollen immer mehr und sind nie zufrieden.“
 
Auf die Frage an den 85-Jährigen, was er sich in den nächsten Jahren wünsche, antwortete Robert Quinche: „Dass es so bleibt, wie es ist: in Frieden zu leben, Freude zu spenden, zufrieden und dankbar sein.“
 
„Ich habe keinen Fernsehapparat und somit Zeit für meine Mitmenschen. Es gibt so viele arme und einsame ,Tüfel’ (Teufel). Ich habe Zeit für klassische Musik, für das Wahrnehmen der sich folgenden Jahreszeiten und für das Zuhören der Glockengeläute von den Kirchtürmen meines Solothurns. Nirgends könnte ich mich wohler fühlen.“
 
Bei einem gemütlichen Zusammensein mit dem Luzerner Drogisten und Autor Peter Oppliger meinte Robert Quinche im hohen Alter: „Nun trinken wir noch einen. Im nächsten Jahr bin ich vielleicht schon oben.“
 
Er forcierte den Safrananbau
Grosse Verdienste erwarb sich Quinche, als es ihm zusammen mit Georg Altermatt aus Olten gelang, den Safrananbau in der Walliser Gemeinde Mund wieder zu beleben. Am 5. April 1979 wurde im Beisein der unermüdlichen Kämpfer die Safranzunft gegründet. Bald darauf war der Munder Safran „in aller Munde“, wie man so schön sagt.
 
Auf Einladung von Bruno Vonarburg durfte ich in den 1980er-Jahren eine Safran-Exkursion in Mund mitmachen. In einer Gaststätte liessen wir uns nach der Exkursion Risotto mit Safran und Safranbrot munden.
 
Die Safranzunft besteht heute noch. Sie hat 216 Mitglieder, davon sind 116 Pflanzer. Auf 16 000 Quadratmetern wird Safran angebaut. Die Pflanzer hoffen in guten Jahren mit einer Ernte von 5 Kilogramm Safran (Infos unter www.safranerie.ch).
 
Robert Quinche und Dr. Max Brosi schufen auch den Juragarten auf dem Weissenstein (oberhalb von Solothurn). Die Leitidee ist, eine möglichst grosse Vielfalt an einheimischen Pflanzen auf kleinstem Raum vorzustellen.
 
Quinche war ein Pionier der Heilpflanzenkunde. Er hatte es nicht immer leicht. Am Anfang seines Wirkens als Drogist in Chur galt der Umgang mit Tee und Kräutern noch als Kurpfuscherei. Später unternahm er Pflanzenexkursionen, bildete Drogisten aus und hielt unzählige Vorträge. Als Prüfungsexperte an der Höheren Drogistenfachschule in Neuenburg bemerkte er, dass die Prüflinge Pflanzen nur im getrockneten Zustand kannten. Dies änderte sich bald, denn er gründete die Vereinigung der „Drotaniker“ und lud Mitglieder zu informativen Pflanzenexkursionen ein.
 
1975 wurde der „Kräuterdoktor“ zum Kantonsrat erhoben. Danach wurde ihm eine besondere Ehre zuteil. Er erhielt den Solothurner Kulturpreis. Noch im Alter von 80 Jahren hielt er Vorträge an Drogistenseminaren und veranstaltete so manche Exkursionen in die Kräuterwelt.
 
Fahrt in den Graben
Während der erwähnten Zusammenkunft nach einer Heilpflanzenexkursion in der Umgebung von Ausserberg erzählte Bruno Vonarburg eine Anekdote über den anwesenden Robert Quinche:
 
Robert Quinche entschloss sich eines Tages, den Führerschein zu machen. Nach den ersten wohl gelungenen Fahrstunden durfte er aufs Land fahren. Plötzlich entdeckte er am Wegesrand einige interessante Heilpflanzen. Er guckte, guckte, vergass die Strasse und lenkte den Wagen in den Graben. Zum Glück passierte nicht viel, nur der Fahrer und der Fahrlehrer erbleichten. Von nun an durfte der Pflanzenfreak nur noch in der Stadt fahren.
*
„Papillon ist nicht mehr“, schrieb Bruno Vonarburg in einem Nachruf. Hier ein Ausschnitt: „Er wurde von seinen Freunden als ,Papillon' bezeichnet. Ein Schmetterling, ein Lebenskünstler, der seit seiner Jugend mit den Heilpflanzen eng verbunden war. Was ihn kennzeichnete, war sein französischer Akzent, ein liebenswürdiges Kauderwelsch, das jedermann zu einem freundlichen Lächeln zwang (…) Nun sind sie verstummt, seine heiteren Lieder, seine blumige Sprache und sein liebenswerter Humor.“
 
Anlässlich der Abdankungsfeierlichkeiten in der reformierten Kirche Solothurn am 11. Juni 1993 hielt Georg Altermatt die Trauerrede. Er schloss mit einem Satz, der in einem seiner Heilpflanzenbücher steht: „Wer weiss, vielleicht werde ich einst als ,Papillon’ – so nannten mich meine liebe Frau Evelyne und meine Freunde – über die Wiesen flattern und Euch zurufen: ‚Santé jeunesse!'“
 
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