Textatelier
BLOG vom: 01.10.2006

Grünfutter: Milchqualität macht die Gentechnik überflüssig

Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
 
Weltweit wird jährlich die unglaubliche Menge von 616 Millionen Tonnen Milch erzeugt. Deutschland ist in der Europäischen Union mit 28 Milliarden Liter das grösste Milcherzeugerland. Auf 112 000 Bauernhöfen werden 4,2 Millionen Kühe gehalten. Die meiste Milch stammt jedoch von Hochleistungskühen. Viele Kühe fristen ihr bedauernswertes Dasein in muffigen und schummrigen Ställen, bekommen eiweiss- und energiereiches Mastfutter, damit die Milch reichlich fliesst.
 
Neben frischem Gras, Heu und Silage (Grasschnitt, das durch Gärung haltbar gemacht wurde) wird Getreide, Mais, Reste der Zucker- und Stärkeproduktion sowie Raps- und Sojaschrot verfüttert. Die Hochleistungskühe werden dazu verdammt, mehr Kraftfutter zu fressen. Es gibt Turbokühe, die mehr als 10 000 Liter Milch im Jahr liefern. Wie Hildebrand Jost, Biobauer aus Maulburg (Kreis Lörrach) betonte, sind diese Hochleistungskühe nach einigen wenigen Jahren „ausgelaugt“.
 
Die Hochleistungskühe sind anfälliger gegenüber Krankheiten wie Pansenacidose, Calciumparese, Euterentzündungen oder Klauengeschwüren.
 
Die Verfütterung von Soja ist auch ein ökologisches Problem. So wird Soja in abgerodeten Regenwaldgebieten angebaut, damit hier die Kühe satt werden und viel Milch liefern. Auch gentechnisch verändertes Sojaschrot kommt zu uns. Dieser Wahnsinn geht lustig weiter. Man könnte durchaus auf diese ausländischen Produkte verzichten, da es genügend einheimische Futterpflanzen als Alternativen gibt.
 
Auch der Maisanbau ist ein ökologisches Problem. Wie Greenpeace berichtete, gehen hier wichtige Lebensräume wie Wiesen und Weiden zurück. Die Artenvielfalt wird dezimiert. Hildebrand Jost ist ein entschiedener Gegner des Maisanbaus. Warum das so ist, erklärte er mir sehr eindrucksvoll: Der Maisanbau fördert die Bodenerosion, benötigt Spritzmittel, mehr Düngemittel und einen hohen Maschineneinsatz. Dazu kommt noch in Maisregionen eine erhöhte Belastung mit Nitrat und Pestiziden im Grundwasser und eine Belastung mit Düngemitteln in vielen Seen.
 
Als Alternative empfiehlt Hildebrand Jost Kleegras. Das Kleegras kann dreimal im Jahr geschnitten werden und eignet sich auch für die Silage. Warum stellen die Bauern nicht um? Nun, der Maisanbau wird bisher von der EU viel höher bezuschusst als der Anbau von Kleegras. Jost hofft auf eine Änderung dieser unverständlichen Bestimmung.
 
Die glücklichen Kühe des Biobauern
Die glücklichen Kühe des Biobauern – seine Kühe liefern je etwa 4000 Liter pro Jahr – dürfen von April bis Oktober im Freien grasen. In der restlichen Zeit bekommen sie in einem luftigen Stall betriebseigene Produkte wie Heu, Futterrüben und Haferschrot. Masthilfsmittel, Leistungsförderer und Beruhigungsmittel kommen nicht zur Anwendung. Die Tierhaltung ist art- und wesensgerecht, da den Tieren weitgehend ein Leben nach ihren Bedürfnissen ermöglicht wird. Näheres dazu findet sich auch in meinem Buch „Richtig gut einkaufen – Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“ (Verlag Textatelier.com, Biberstein, 2005).
 
Gesunde Fette in der Milch bei Grünfütterung
Wer immer wieder skeptisch war bezüglich Vorzüge der Bio-Milch, der sollte die Untersuchungen der Universität Kassel, die von Greenpeace finanziell unterstützt wurde, unter die Lupe nehmen. Im Frühjahr 2006 wurden 15 Frischmilchprodukte verschiedener Molkereien auf ihre Fettsäurezusammensetzung untersucht.
 
Wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist, enthält die Milch von Kühen, die viel Grünfutter und wenig Maisfutter bekamen, viel mehr der gesunden Omega-3-Fettsäuren. Auch bei der konventionell erzeugten Milch waren die Werte höher, wenn Grünes bevorzugt den Kühen vorgesetzt wurde. Die höchsten Werte an Omega-3-FS wurden ausschliesslich in ökologisch erzeugter Milch gefunden. Die Kühe bekamen in diesen Betrieben auch den höchsten Anteil an Grünfutter.
 
Omega-3-Fettsäuren verhindern Gefässverschlüsse, wirken einem unregelmässigen Herzschlagrhythmus entgegen und senken einen erhöhten Blutdruck.
 
Anteil von Omega-3-Fettsäuren in Trinkmilch und Maisanteil in der Fütterung
(Quelle: Greenpeace)
 

Molkerei

Omega-3-FS in mg/g Fett

Maisanteil in der Fütterung in %

Berchtesgadener Land (ö)

12,06

 6,9

Gläserne Meierei Rostock (ö)

11,69

18,9

Breisgaumilch (ö)

11,14

 -

Upländer Bauernmolkerei (ö)

10,69

10,2

Berchtesgadener Land (k)

 9,52

26,8

Breisgaumilch (k)

 9,30

24,1

Hamfelder Hof (ö)

 8,44

20,2

Weihenstephan (k)

 7,43

35,0

Bärenmarke (k)

 6,30

42,3

Campina Esterwerda (k)

 5,86

52,1

 ö = ökologisch     k = konventionell

Forderung von Greenpeace

O Keine Verbrauchertäuschung – wo Alpenmilch draufsteht, muss auch Alpenmilch drin sein!
O Kein Einsatz von Tierfutter aus Urwaldregionen!
O Keine Gentechnik im Tierfutter!
O Milchprodukte sollten vor allem mit Grünfutter und Weidegras erzeugt werden.
O Artgerechte Tierhaltung
 
Kürzlich erschien die neueste Auflage des Gentechnik-Ratgebers von Greenpeace. Verbraucher können mit der Grünen Liste Produkte wählen, die ohne Gen-Pflanzen im Tierfutter erzeugt wurden.
 
In der Roten Liste sind solche Unternehmen aufgelistet, die sich hartnäckig weigern, auf Gentechnik zu verzichten. Greenpeace: „Marken wie Landliebe vom Campina-Konzern oder Weihenstephan Alpenmilch von Müllermilch (derzeit wird mit einem riesigen Werbeaufwand für diese Alpenmilch im Fernsehen geworben!) erwecken den Anschein, naturnah zu produzieren. Tatsächlich erlauben sie ihren Landwirten den Anbau von Gen-Mais und die Verfütterung von Gen-Pflanzen an die Milchkühe.“
 
Dass es auch ohne Gentechnik geht, beweist die Milchindustrie in der Schweiz, in Österreich und Griechenland. Die dortigen Marktführer haben eine Fütterung ohne Gen-Pflanzen durchgesetzt oder angekündigt. Auch der Discounter Lidl hat jetzt reagiert. Er führt in 300 Filialen in Nordrhein-Westfalen die Frischmilch-Eigenmarke mit dem Siegel „ohne Gentechnik“.
 
Es geht also auch ohne Gentechnik – es ist schon immer ohne diese fragwürdige Innovation gegangen. Leider gibt es in der Branche noch schwarze Schafe.
 
Mir ist es schleierhaft, warum namhafte Milchverarbeiter, die riesige Umsätze machen, hier nicht mitziehen und sich für eine gute Sache einsetzen. Leider wissen viele Verbraucher nicht, von welchen schwarzen Schafen sie ihre Milch und Milchprodukte kaufen.
Vielleicht wird ihnen jetzt der „Ratgeber Essen ohne Gentechnik“ von Greenpeace, der in einer Stückzahl von 2,1 Millionen gedruckt wurde, die Augen öffnen.
 
Informationen im Internet
 
Schriften
Wolfgang Busse, Heinz Scholz: „Das ABC der Vitalstoffe“, Haug Verlag, Heidelberg 2001.
Heinz Scholz: Richtig gut einkaufen – Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“, Verlag Textatelier com., Biberstein 2005.
 
Vom Einkaufsratgeber „Essen ohne Gentechnik“ ist die Druckversion direkt zu beziehen von Greenpeace oder als PDF-Datei zum downloaden (1306 KB). Im Internet sind unter www.greenpeace.de („Ratgeber“) noch mehrere Schriften zu bekommen.
 
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