Textatelier
BLOG vom: 06.03.2006

„In Cold Blood“: Kaltblütige Mörder und die Autoren

Autor: Emil Baschnonga
 
Fortzu wird kaltblütig gemordet. Beinahe jeden Tag liest man darüber in der Presse. Mit 8 Stichen wurde John Monckton, kaum war er von seiner Arbeit als Bankier in sein Haus in Chelsea zurückgekehrt, erdolcht. Das Abendessen war schon angerichtet. Seine Frau Homeyra, eine gebürtige Perserin, wurde bei diesem Überfall schwer verletzt. Die 12-jährige Tochter Sabrina sah das Gemetzel in der Eingangshalle von der Treppe her und telefonierte dem Notfalldienst. Dank ihr konnte ihre Mutter gerettet werden.
 
Dieser Mord wurde im November 2004 verübt. John Monckton und seine Familie waren hoch beliebt. Die Familie führte ein sehr häusliches Leben. Als aktiver Katholik setzte er sich persönlich und finanziell sehr stark für die Wohlfahrt ein.
 
Der Täter, Damien Hanson, hatte die Moncktons schon im Gefängnis zum Ziel seiner Schandtat gewählt. Doch darüber mehr etwas später.
 
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Dieser schauerliche Mord weckte meine Erinnerung an die Novelle „In Cold Blood“, vom amerikanischen Schriftsteller Truman Capote geschrieben und 1966 veröffentlicht. Es handelt sich dabei um eine auf die Wirklichkeit abgestützte Novelle (Literary Nonfiction).
 
4 Mitglieder einer wohlhabenden Bauernfamilie – Vater, Mutter und 2 halbwüchsige Kinder – wurden in Holcomb, Kansas, brutal ermordet. 6 Jahre hat Truman Capote an diesem Buch gearbeitet, dem Gerichtsverfahren vom Anfang bis zum Ende beigewohnt, ausführliche Gespräche mit den beiden Mördern geführt, Tausende von Notizen gemacht. Dieses Buch wurde als Meisterwerk anerkannt.
 
Zum Schriftsteller selbst sei vermerkt, dass er 1924 in New Orleans geboren wurde und von seiner Mutter verlassen in Monroeville, Alabama, aufwuchs. Er bekannte, dass er schon als 11-Jähriger mit dem Schreiben begonnen hat und täglich etwa 3 Stunden dafür einsetzte. Dies half ihm über die einsamen Jugendjahre hinweg.
 
Er begann seine Laufbahn als Feuilletonist für den „New Yorker“. Sein erstes Buch „Other Voices, other Rooms“ erschien 1948. Ein weiteres Meisterwerk kam 1958 unter dem Titel „Breakfast at Tiffany’s“ heraus. Es wurde anschliessend sehr erfolgreich verfilmt, mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle.
 
Truman Capote starb im Alter von 59 Jahren, so verlassen wie sein Leben begonnen hatte, dem Trunk und den Drogen ausgeliefert, und bitter enttäuscht, weil sein Buch „Answered Prayers“ unbeachtet blieb. Truman Capote besass ein psychologisches Feingefühl sondergleichen und beherrschte die Prosa. Er wurde zum Vorbild vieler Schriftsteller.
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Ein behördliches Fehlerregister ermöglichte Damien Hanson, die Mordtat zu verüben. Er wurde vorzeitig aus seiner 12-jährigen Gefängnisstrafe entlassen, ohne psychologisches Gutachten. Seine gewalttätige Vergangenheit blieb vollkommen übersehen, obschon er seine Verbrecherkarriere als 15-Jähriger begonnen hatte, zuerst mit Diebstählen, bis er dabei auch zum Messerstecher wurde. Nach seiner Freisetzung blieb er unbeaufsichtigt, ganz im Gegensatz zu den Bestimmungen des „Probation Service“. Damien Hanson wurde als „low risk“ (niedriges Risiko) eingestuft, trotz seiner bezeichnenden Beinamen „Devil’s Child“, „Omen“ und „666“.
 
Im „Old Bailey“ (Kriminalgericht in London) wurde Damien Hanson zu 36 Jahren Gefängnis verurteilt, sein Komplize Elliot White zu 18 Jahren.
 
Im Verlauf des Gerichtfalls erfuhr die Jury, dass Damien Hanson systematisch nach potentiellen Opfern unter den Superreichen gesucht hatte, etwa übers Internet zuvor im Gefängnis. In seinem Zimmer fanden sich allerlei öffentlich zugängliche Listen reicher Leute. (Auch die „Sunday Times“ veröffentlicht alljährlich eine solche Liste, die den Verbrechern auf die Spur hilft.) Ausserdem hatte er Fotos von den reichsten Hausbesitzern gehortet. Dazwischen fand sich die Visitenkarte eines Geschäfts, das Frau Monckton am Vortag des Verbrechens besucht hatte. Dieses Hauptindiz ermöglichte seine Verurteilung.
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Eingehend habe ich das Foto des schwarzen Damien Hanson betrachtet, der laut Zeitungsberichten kein einziges Mal sein Bedauern bekundet hatte. Er blickt mit gefühlskalten Augen in die Welt.
 
Ich stelle mir viele Fragen dazu: Wie es kommt, dass ein Mensch derart kaltblütig sein kann? Im Buch „In Cold Blood“ ermöglicht Truman Capote dem Leser, gewisse Rückschlüsse zu gewinnen. Gern möchte ich mit Damien Hansen ins Gespräch kommen, um meine eigenen Einblicke aus 1. Hand zu gewinnen. Aber so ein Unterfangen lässt sich nicht ohne finanziellen Beistand eines Verlegers durchführen. Truman Capote konnte sich diese Rückendeckung für sein Buch sichern.
 
Ich könnte mir ein Buch vorstellen, das in gewisser Hinsicht die Vorgehensweise wie in Friedrich Dürrenmatts Werk „Der Richter und sein Henker“ verfolgt, ohne dass ich deswegen zu Demian Hansons Richter und Henker werde. Also lieber Verleger, erteilen Sie mir den Auftrag dazu …
 
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