Textatelier
BLOG vom: 08.02.2006

Betty Friedan choreographierte das Tanzen der Emanzen

Autor: Walter Hess
 
Von dort, wo alles Gute kommt, kam auch der Feminismus in unsere Gefilde, wo es ebenfalls viele böse Männer gab und gibt, die ihren Lebensinhalt darin sahen und sehen, das schwache Geschlecht zu unterdrücken. Dass solch verwerflichem Tun ein Riegel geschoben und die Strafe folgen muss(te), versteht sich von selbst.
 
Die Strafaktionen leitete Betty Friedan (ursprünglich: Betty Naomy Goldstein, Tochter eines wohlhabenden jüdischen Juweliers) 1963 mit ihrem Buch „The Feminine Mystique“ (deutsch: „Der Weiblichkeitswahn“) ein, das in den USA die Emanzipationsbewegung explosionsartig entstehen liess, einem Vulkanausbruch nicht unähnlich, der mit Erschütterungen im Untergrund, Rauch und Staub die ganze Erde überzog. Die Lavaströme liessen von familiären Traditionen kaum noch etwas übrig.
 
„Der Weiblichkeitswahn besagt, dass der höchste Wert und die einzige Verpflichtung für Frauen die Erfüllung ihrer Weiblichkeit sei“, heisst es in ihrem Buch. 1966 gründete sie vorerst die National Organization for Women“ (NOW), die international ausstrahlte. 1971 organisierte sie den National Women’s Political Caucus, 1973 den International Feminist Congress und 1974 den Economic Think Tank for Women. 1973 rief sie die geschlechterspezifische First Women’s Bank ins amerikanische Leben, die anfangs nur Frauen als Kunden akzeptierte, ohne dadurch einen Maskulinismus auszulösen. Ich erinnere mich noch an Radio Beromünster, das damals an allen Arbeitstagen nach 14 Uhr, wenn die Herren der Schöpfung mit dem Broterwerb für Frau und Kinderschar beschäftigt waren, in Frauensendungen Hasstiraden auf die Männerwelt abfeuerte; ich durfte daran teilhaben, weil ich damals beim „Aargauer Tagblatt“ häufig Nachtarbeit leisten musste und am Nachmittag frei hatte.
 
Bis dahin hatten die ehrenwerten Frauen, ob man es glaubt oder nicht, ihre kostbare Zeit damit vertrödelt, Mütter zu sein und daneben auch gerade noch Hausarbeiten zu verrichten: gesund kochen, allenfalls noch den Hausgarten und die Wohnung pflegen, die Kleider unterhalten. Laut geschichtlichen Überlieferungen soll es sogar noch Frauen gegeben haben, die ihren Mann bei seinem beruflichen Wirken mit Rat und Tat unterstützten und sich mit Hingabe der Entwicklung ihrer Kinder widmeten. Das liesse sich belegen.
 
Solch himmelschreiende Zustände liessen sich auf Dauer selbstverständlich nicht aufrecht erhalten. Denn laut Betty, dieser so genannten „Urmutter der Frauenbewegung“, war den Frauen der Weg zur Selbstfindung und Selbstverwirklichung versperrt. Und die Sperren waren selbstverständlich durch uns Männer errichtet worden, was nicht ungestraft bleiben durfte. Mit dem femininen Befreiungsschlag galt es infolgedessen, uns Männern die verdiente Quittung zu erteilen, das heisst es musste aktiv gegen sie angekämpft werden.
 
Es ist bemerkenswert, dass diese radikale, militante Frauenbewegung, die sich bald einmal selbsttätig entwickelte und welche den Krieg der Geschlechter erfolgreich inszenierte und auch immer anheizte, nicht etwa von jenen Frauen her kam, die wirklich bessere Lebensverhältnisse verdient hätten (Arme und Schwarze blieben von der Frauenbewegung ohnehin unberührt), sondern von den Unzufriedenen und Unterbeschäftigten in ihrem amerikanischen Traumhaus, die keinerlei existenzielle Sorgen kannten.
 
Den Feministinnen in ihrem goldenen Käfig kam zudem sehr zustatten, dass im Haushalt die Maschinen den grössten Teil der Hausarbeiten übernahmen – man konnte sich diese problemlos leisten: Staubsauger, Abwaschmaschinen, Waschmaschinen, Mikrowellengeräte und was der technischen Haushalthilfen mehr sind. Die Industrie gab sich alle Mühe, den Frauen (und gegebenenfalls auch den Männern) das Kochen abzunehmen; die chemische Industrie rührte als Fernküche tatkräftig mit. Die häuslichen Küchen, einst Mittelpunkte des häuslichen Geschehens, wurden immer kleiner. Da ich seit 12 Jahren nicht mehr in den USA war (und ich werde aus Sicherheitsgründen auch nicht mehr dorthin reisen), weiss ich nicht, ob die neuen US-Häuser überhaupt noch eine Küche haben. Schliesslich genügen ein grosser Kühlschrank und ein Mikrowellenherd sowie ein Stapelraum für die Coca-Cola-Petflaschen.
 
Statt Hausarbeiten zu verrichten und die Kinder zu betreuen und andere niedrige, um nicht zu sagen minderwertige Hausarbeiten zu verrichten, durften viele Frauen dann endlich an Schreibmaschinen und dann an Computer sitzen, Telefongespräche umleiten und sich allmählich in Manageretagen hinaufarbeiten. Sie finden heute sogar ins diplomatische Korps und ins deutsche Bundeskanzleramt Einlass. Unsere Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hat dieser Tage bei der Rekrutierung von Diplomaten 6 ausgewählte Männer aus Quotengründen über die Klinge springen lassen, um den Damen den Vortritt zu lassen.
 
Den Damen den Vortritt zu lassen, war bisher eine ausgesprochen männliche Verhaltensweise, ursprünglich sogar noch bei der Auszahlung der AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung) – die Frauen erhielten den Obolus ab 62, die Männer erst ab 65 Jahren. Keinen Vortritt hatten die Damen im Militär, das lange eine reine Männerdomäne war. Und als kürzlich 2 Kanalisationsarbeiter bei Regen und Kälte in unserer Nachbarschaft in einen stinkenden Schacht stiegen, um eine verstopfte Abwasserleitung zu deblockieren, forderte angesichts dieser 100-Prozent-Männerquote merkwürdigerweise niemand, der Frauenanteil sei auf mindestens 50 Prozent zu erhöhen. Es bleibt also noch einiges zu tun.
 
Die Resultate des Feminismus dürfen sich sehen lassen: Die Scheidungsquote ist in den vergangenen Jahrzehnten rasant angestiegen, was unmissverständlich darauf hindeutet, dass immer mehr Frauen die Selbstverwirklichung ausserhalb familiärer Bande und abseits des vereinnahmenden Nachwuchses erfolgreich gelungen ist. Besonders umwerfend ist die Tatsache, dass es immer mehr Kinderkrippen und Kinderhorts gibt, worin der Nachwuchs von Anfang an auf die Bedürfnisse der Massengesellschaft mit ihrem Normdenken exakt abgerichtet werden kann. In funktionierenden Familien wäre das unmöglich. Und wenn die Kinder zunehmend zu psychisch Invaliden werden, dann liegt das im Interesse der neoliberalen Philosophie, der Seelenärzte und der Pharmaindustrie, besonders wenn die Schäden irreparabel sind (Dauerkunden sind die besten).
 
Grossartig sind auch die Resultate im Ernährungsgeschehen. Die Fabriknahrung hat neue Arbeitsplätze entstehen lassen; die Rezepte für das Essen, das höchstens noch aus der Verpackung befreit (schon wieder eine Befreiungsaktion!) und erhitzt werden muss, werden in Laboratorien ausgebrütet – das grossmütterliche Wissen und ihre Erfahrungen sind überflüssig geworden. Selbst unsere Schweizer Betty, die Betty Bossi, ist jetzt auf diesem Trip. Grossmütter können in Heimen unbehelligt das selige Ende abwarten und ihr Wissen und ihre Erfahrungen ins Grab mitnehmen.
 
Die fast flächendeckende Industrienahrung beweist, dass es weitgehend ohne all das Frischzeug geht, das früher auf Äckern, Bäumen, an Sträuchern und in Gärten wuchs. Es braucht bloss noch ein paar maschinell bebaubare Flächen für Genpflanzen, und der Rest steht der weiteren Asphaltierung und Zubetonierung zur Verfügung. Von den Krankheitsfolgen aufgrund des Zerfalls der Abwehrkräfte profitiert das ständig wachsende Krankheitsgewerbe. Auch Arztbesuche und Spitalaufenthalte sind eine beliebte Möglichkeit, aus dem Vakuum der trostlosen häuslichen Enge auszubrechen.
 
Betty Friedan wusste, wovon sie sprach. Die alte Schule hatte sie ursprünglich noch am Gängelband. Sie hatte für ihren Mann und ihre 3 Kinder ihre wissenschaftliche Karriere aufgegeben, eine aus postfemininer Sicht verwerfliche Haltung, ein Niedergang in die Abgründe des normalen, destruktiven Familienalltags und Haushaltens. Aber die Scheidung ihrer Ehe sollte nicht lange auf sich warten lassen (Betty war zwischen 1947 und 1969 verheiratet). „Die Lüge von der glücklichen Hausfrau“, gegen die sie in ihrem Buch mit Kraft anschrieb, erwies sich in ihrem Fall als eine solche, wiewohl sich das ja auch etwas steuern lässt.
 
Ob sie später, in der grenzenlosen Freiheit, ihr Glück fand, weiss ich nicht. Sie schlug jedenfalls mit den Jahren sanftere Töne an und machte Bemerkungen, die sich wie ein Bemühen um einen Ausgleich zwischen der Frauen- und der Männerwelt anhörten. Vielleicht fiel ihr selber auf, was sie in den Familien von Millionen von gedankenlosen Mitläuferinnen angerichtet hatte. Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass es auch berechtigte Frauenanliegen gab, die aber durch die kampfestollen Frauenrechtlerinnen eher behindert wurden. Und bei Wahlen wählten die wenigsten Frauen merkwürdigerweise Geschlechtsgenossinnen, wie alle Resultate zeigen. Feministinnen scheinen eine verhältnismässig eher rare Spezies zu sein, in keinem Verhältnis zum Getöse, das sie veranstalten.
 
In den 90er-Jahren wandte sich Betty noch der Diskriminierung alter Menschen (beiderlei Geschlechts) zu („Mythos Alter“, 1993).
 
Die „Kreuzritterin des Feminismus“ (New York Times), ist am Samstag, 4. Februar 2006, an ihrem 85. Geburtstag, in Washington angeblich an einem Herzversagen gestorben. Betty Friedan ruhe in Frieden. Und sie darf die Gewissheit haben, dass ihr Gedankengut weiterlebt. Man wird sie nicht so schnell vergessen.
 
Es lebe die Emanzipation!
 
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