Textatelier
BLOG vom: 13.01.2006

Der Tod der Medienkritik – ein bezeichnendes Symptom

Autor: Walter Hess
 
Wenn etwas sang- und klanglos verschwindet, merkt man es manchmal kaum, oder erst nach einer gewissen Zeit, durch Zufall. So ist es mit der Medienkritik durch andere Medien geschehen. Diese Institution verschwand zwar nicht von einem Tag auf den andern, sondern machte sich sozusagen schleichend von dannen – und schliesslich gab es sie fast gar nicht mehr. Tschüss.
 
Wie kam das nur? Ich sehe dafür 2 wesentliche Gründe. Im Zeichen der Ausdünnung der Druckmedien fehlte der Platz dafür. Auch Kommentare und Leitartikel erlitten und erleiden ein ähnliches Schicksal wie medienkritische Kolumnen – immerhin gibt es sie noch ganz gelegentlich. An die Stelle der geistigen Auseinandersetzungen traten mehr und grössere Bilder, grössere und Platz fressende Titel; die Zeitungen tun, als ob sie sich ausschliesslich an halbwegs Erblindete richten würden. Und im Rahmen der ausdünnenden Relaunches (Neugestaltungen der Aufmachung in Richtung Boulevardisierung) wird auch immer mehr Weissraum eingefügt. Und daraus ergibt sich dann der Grund Nummer 2:
 
Dünne Süppchen lohnen kaum mehr, dass man sich kritisch mit ihnen auseinander setzt. Man zieht sie hinunter oder lässt sie stehen, und das wars dann. Alles andere wäre pure Zeitverschwendung. Man müsste als Medienkritiker ja immer dasselbe schreiben: Ungenügende Informationen, kein Tiefgang, falsche, aufs Seichte (Quotenträchtige) gerichtete Auswahl, Hohlwörterei, schludriger Umgang mit der Sprache.
 
Auch den Breitleinwand-Schmarren aus Hollywood mag kaum noch jemand kommentieren, denn diese Machwerke mit den explodierenden Autos und Flugzeugen sind immer nach dem gleichen Gut-Böse-Schema, auf das etwas Liebesschmalz aufgetragen ist, gefertigt. Sie sind zudem Vorbilder für ein aggressives Verhalten; die Colts sassen schon immer locker. Und nun kommen noch die kindischen Computeranimationen aus der Comicabteilung hinzu.
 
Medienschaffende – ich zähle mich noch heute zu ihnen, habe aber keinen Grund, mich damit zu brüsten – denken wenig über sich und ihre Arbeit nach. Meistens haben sie gerade anderes zu erledigen, und wenn sie es dennoch tun, sind sie in ihrer Welt zu sehr befangen, um zu Beurteilungen zu gelangen, die auch ausserhalb davon gültig sind, etwa für ihre Konsumenten, die sich der Reihe nach von ihnen verabschieden (nach IQ ...). Auch ihnen fehlt die Medienkompetenz, zumal sie sich ohnehin in erster Linie um den Auf- und Ausbau einer Technik- und insbesondere Marketingkompetenz bemühen müssen. Darin liegt ein weiteres Elend begraben.
 
Den Kampf gegen den Schund, wie es ihn im 19. und frühen 20 Jahrhundert noch gab und der sogar zur Gründung von Jugendschriften-Kommissionen führte, gibt es nicht mehr. Doch wären gerade heute Einsätze für einen guten, nach ethischen und qualitativen Kriterien betriebenen intelligenten Journalismus dringend nötig. Dringend. Doch die Resignation war stärker.
 
Eine weiterführende Medienkritik hätte einen hohen Stellenwert, wenn sie in einem ernst zu nehmenden Umfeld geschehen würde. Andernfalls wäre auch sie für die Katz'. Was seichte Medien von sich geben, hat auch auf anderen Gebieten nicht einmal in ihrem engsten Wirkungsbereich noch Auswirkungen.
 
Der Ausdruck „Es steht geschrieben“ hatte früher die Bedeutung von „Es ist wahr“. Er bezog sich vor allem auf das geschriebene Wort Gottes. In Matthäus 4,4 steht also zu lesen: „Er (Jesus) aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: ‚Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“ Neuerdings, seitdem Kritik erlaubt ist, stellte sich auch dieses Wort als menschliche Erfindung heraus. Doch die Sache mit dem Brot stimmt dennoch.
 
Das Geschriebene hatte damals, als noch nicht so viel Papier bedruckt und Texte ins Internet gestellt wurden wie heute, einen hohen Stellenwert. Der Produktionsaufwand und die entsprechenden Kosten für Druckerzeugnisse waren so hoch, dass man nur Ausgewähltes drucken lassen konnte. Schund, den es zwar schon immer gab, hatte einen schwereren Stand, auch weil damals die lesenden Menschen noch anspruchsvoll und kritisch waren. Doch dann wurde die Verbreitung von Wörtern und Bildern durch die Medien inflationär praktiziert. Es lohnt sich heute kaum noch, hinzusehen, hinzuhören oder die Anstrengungen des Lesens auf sich zu nehmen. Dadurch existiert auch keinerlei Bedarf an Medienkritik mehr.
 
Doch noch immer gilt Marshall McLuhans Feststellung, wonach das Medium die Botschaft sei. Die heutige Botschaft der Medien ist diese: Ihr wollt und könnt nicht mehr zusammenhängende Texte lesen. Ihr wollt nur noch Bildchen anschauen und Pop-Konservenmusik hören. Ihr wollt noch etwas Klatsch, People-Storys, Sex und Crime. Und täglich Ratespiele. Hintergründe und Zusammenhänge interessieren Euch nicht mehr. Ihr seid halt doch blöd. Und wir, die Medienmacher, sind es auch, wahrscheinlich noch blöder.
 
Und so lohnt es sich wirklich nicht mehr, uns mit solchen Angeboten auseinander zu setzen. Also lassen wir es.
 
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