Textatelier
BLOG vom: 27.11.2005

Abstimmung „Gentechfrei essen“: Ein Hoch auf CH-Bauern!

Autor: Walter Hess
 
Wir können uns noch mindestens 5 Jahre lang auf die Schweizer Landwirtschaft verlassen und das uns Schweizern via WTO und Freihandel aufgedrängte Genfutter noch einigermassen umgehen, wenn wir aufmerksam genug sind. Das weise Schweizervolk hat heute Sonntag, 27. November 2005, die Volksinitiative „für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft“ überraschend klar angenommen: 55,66 % Ja, alle Kantone stimmten zu. Linke, grüne und bäuerliche Kreise sowie Konsumentenorganisationen haben obsiegt, die bürgerlichen Parteien (CVP, FDP und SVP) hatten kein Einsehen – doch ging es im Prinzip nicht um ein Parteien-Problem, sondern um Vernunft, die überall angesiedelt sein kann (oder auch nicht). Die Landwirtschaft, die keine Kompromisse kennt und keinen Mischmasch anbietet, hat an Ansehen und Vertrauen gewonnen.
 
Ich ziehe den Hut vor diesem Volk, zu dem ich selber gehören darf, und insbesondere auch vor allen Schweizer Bauern, welche sich mit grosser Mehrheit nicht Monsanto und Konsorten unterordnen und konsequent auf genveränderte Pflanzen und Tiere verzichten wollen, nicht allein die besonders umweltbewussten Bio- und IP-Landwirte.
 
Rat an die Konsumenten: Hütet Euch vor US-Lebensmitteln und esst vor allem Produkte, welche die umwelt- und verantwortungsbewusste einheimische Landwirtschaft hervorgebracht hat – neben solchen aus armen Ländern, die sich um eine ehrliche, naturnahe Produktion bemühen. Vielleicht geht von der Schweiz ein Signal für jene Länder aus, die ebenfalls eine kleinräumige Landwirtschaft pflegen und wertvolle Lebensmittel erzeugen.
 
Doch dies passt nicht zur Globalisierung, und es ist zu erwarten, dass die WTO (die US-beherrschte Welthandelsorganisation, welche den so genannten Freihandel durchzusetzen hat) Druck auf die Schweiz ausüben wird, wenn sie neue Märkte für Industrieprodukte und Dienstleistungen (GATS) erobern will. Der Liberalisierungszwang (mit dem entsetzlichen „Freihandel“ als Stosstrupp) ist das zerstörerische Globalisierungswerkzeug, das ausschliesslich im Interesse der Grosskonzerne steht und das Kleinräumige brutal vernichtet.
 
Unter diesem WTO-Druck hat die EU 26 (genveränderte) GVO-Produkte zugelassen: 12 Maissorten, 6 Rapssorten, 5 Baumwollsorten, 1 Hefebakterium, 1 Sojabohnensorte und 1 Bakterium. Auch die Schweiz hat demselben Druck nachgegeben und die Einfuhr von gentechnisch veränderten Nahrungs- und Futtermitteln erlaubt, u. a. auch um der EU-Kompatibilität willen – und die EU ihrerseits will US-kompatibel sein. Um dieser Hörigkeit willen opfert die Schweiz im Schnitt etwa 5 Bauernbetriebe pro Tag. In der Schweiz, die ihr Selbstbewusstsein auf der Schlachtbank des Welthandels geopfert hat, sind bis anhin 1 gentechnisch veränderte Sojasorte und 3 ebensolche Maissorten für den Import als Lebens- und Futtermittel zugelassen. Als Futtermittel dürfen zudem etwa Maiskleber und Sojaschrot von allen Gentech-Sorten eingeführt werden, die entweder in der EU, den USA oder Kanada zugelassen sind – wir wollen gleich alles haben, was irgendwo zugelassen ist ....
 
Seit dem 1. März 2005 gelten in der Schweiz wenigstens etwas strengere Deklarationsbestimmungen; doch eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch, Milch und Eier von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert worden sind, gibt es noch immer nicht – es gibt keine erstrebenswerte Rückverfolgbarkeit „from stable to table“ (vom Stall bis zum Tisch). Somit ist also zwar die CH-Landwirtschaft gentechfrei, nicht aber das CH-Nahrungsmittelangebot. Die Gentech-Seuche, die wesentlich gravierendere Folgen als die zur „Pandemie“ hochgespielte Vogelgrippe hat, grassiert weiter, so lange diese idiotische Form von neoliberaler bzw. neokonservativer Globalisierung anhält.
 
In der Gentech-Forschung belegt die Schweiz den 5. Rang – und diese ist von der Abstimmung nicht betroffen – schade, denn es wäre gescheiter zu erforschen, wie man ohne Genmanipulationen und ohne ein Leben nach Labor-Design auskommen könnte. Denn eine in die Natur entlassene gentechnisch veränderte Erbsubstanz ist nicht rückholbar und kann katastrophale Auswirkungen haben – Fauna und Insekten sind bedroht. Wir sollten nicht mehr Sorten aus dem Labor, sondern mehr Naturbezüge anstreben. Mit unserem Naturabänderungsdrang haben wir bereits hinreichend Blödsinn angerichtet und irreparable Zerstörungen eingeleitet (Artensterben).
 
Das Wertvolle an der Schweizer Volksabstimmung ist das Signal, das heisst die Aussage einer Volksmehrheit, dass die gentechnologische Desorientierung erkannt und es in Zukunft den Genmanipulatoren nicht leicht machen will; die „Biotechnologie“, von der Gentechniker beschönigend zu sprechen pflegen, geht härteren Zeiten entgegen. Dieser Prozess braucht noch etwas Zeit.
 
Aargau: Tierquälerische Jagd bleibt
Eine Enttäuschung ist für mich das Aargauer Abstimmungsresultat, welches das tierquälerische Treiben durch Jäger weiterhin erlaubt. Die Jäger setzten rund 200 000 CHF für die Propaganda ein, um ihr Treiben wie bis anhin durchsetzen zu können; die Tierschützer um Peter Suter hatten nicht einmal 10 % davon zur Verfügung. Doch hat die Abstimmungsdiskussion über die Abschaffung der schäbigen Treibjagd mit Hunden und Treibern zweifelsohne das Ansehen der Jägerei wenigstens ein Stück weit von ihren Hochsitzen heruntergeholt. Wahrscheinlich bedarf es noch einiger solcher Initiativen, um die Jagdverherrlichung in eine kritische Haltung über das, was den bedrohten und bedrängten Wildtieren ohnehin zugemutet wird, umzuwandeln. Auch die zunehmende Gewalt und die damit verbundenen Diskussionen dürften am Ansehen der Jagd nicht spurlos vorübergehen.
 
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