Textatelier
BLOG vom: 05.10.2005

Brienz: Bäche in schnurgerade Rutschbahnen umgebaut

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)

Petrus ist immer an allem schuld. Er lässt zu viel regnen, und dann wird aus Hängen und Wäldern allerhand Material in die Dörfer gespült. Das ist im August 2005 auch in Brienz im Berner Oberland so geschehen; 2 Personen kamen ums Leben. Etwa 20 beschädigte Gebäude auf 10 Parzellen am Glyssibach werden nicht mehr aufgebaut; selbst das Gemeindehaus ist betroffen. Nach den Darstellungen des Gemeinderats hat jetzt die Gesamtsicht über die Einzelinteressen triumphiert.

Die merkwürdige „Gesamtsicht“ kommt etwas spät. Vor allem wäre sie dringend nötig gewesen, als der Glyssibach seinerzeit in eine schnurgerade Abflussschale mit starkem Gefälle umgewandelt worden ist, welche wie eine Rutschbahn funktioniert und den Abfluss von Wasser und Begleitmaterial (Geschiebe) beschleunigt statt hemmt. Ein normaler Bach mit seinen Windungen, Staubereichen, Verengungen tut das nicht. Jetzt baut man einen Rückhaltedamm und unten einen „Abflusskorridor“ sowie einen Geschiebesammelplatz.

Die Klimaerwärmung, die von uns Menschen ständig weitergetrieben wird, treibt die Wettermaschine weltweit an. Verdunstung und Niederschläge werden intensiviert. Die katastrophalen Gewässerbegradigungen (Kanalisierungen) aus den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten wirken sich bei den sich intensivierenden Niederschlägen verheerend aus.

Was mich erstaunt, ist der Umstand, dass niemand von den wasserbaulichen Dummheiten der Vergangenheit spricht. Sie werden tabuisiert. Das ist deshalb unhaltbar, weil sich dadurch kein Erkenntnisprozess einstellen kann und vergangene Fehler mit neuen „korrigiert“ werden – immer in Richtung zu mehr Naturferne. Das schöne Brienz ist da nicht allein.

Man baut neue bis 4,5 m hohe Dämme und Brücken, die bei Hochwasser leicht weggeschwemmt werden können, damit sich keine Verklausungen (Stausituationen, d. h. Verkeilungen von Geschwemmsel) bilden können. An die Renaturierung der Bäche denkt niemand. Und das ist eine zusätzliche Katastrophe. Die Brienzer Behörde will mutig weiterkämpfen. Aber allem Anschein nach wiederum auf den falschen Schlachtfeldern.

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