Elevation
Eines Morgens erwachte Herr Landolt nicht wie gewohnt im Bett, sondern etwa 70 Zentimeter schwebend darüber. Er wog, Lebendgewicht minus Schlummerschwere, gut 80 Kilogramm. Genau jenen Flecken an der Zimmerdecke, den er manchmal vor dem Einschlafen ins Auge fasste, fixierte er diesmal, seinem Schwebezustand näher rückend. Zaghaft bewegte er seine Zehen. Er fror, kein Wunder, war er doch dem Durchzug von allen Seiten ausgesetzt.
Von draussen zwitscherten Spatzen durchs Fenster. Der Wecker repetierte den Alarm. Das erinnerte ihn an seine Pflicht als Inseraten-Akquisiteur. Der Gleitarbeitszeit-Turnus bestimmte diese Woche Frühdienst, wollte er seinen Zeitkreditplan nicht durcheinander bringen. Zuerst strampelte er in seiner misslichen Rückenlage wie ein Maikäfer, kam aber weder waagrecht noch senkrecht vom Fleck. Systematisches Rudern, dachte er und erschrak beim Gedanken, dass der Bann dabei, statt über dem Bett, mitsamt Knochen auf dem Fussboden brechen könnte. Herr Landolt angelte nach dem und erwischte endlich den Zipfel seines Kissens und schob es unter sein Pyjama.
Die Komik seiner Lage ging ihm auf, was als zweites Phänomen gewertet werden mag. Warum sollte er sich nicht warm in seine Decke wickeln und noch ein Stündchen schlafen? Er hisste die Decke im Zehengriff. 10 Minuten später schlief er tatsächlich. Kurz vor 11 Uhr fand er sich plötzlich wachgerüttelt. Das Niesen hatte seine Elevation gebrochen, davon war Herr Landolt felsenfest überzeugt, lagen doch Kissen wie auch Decke neben ihm.
(1974)
Emil Baschnonga
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